Jonathan Strange & Mr. Norrell
und war aufgrund des sensationellen Inhalts eines Artikels innerhalb von zwei Tagen ausverkauft. Mr. Murray, der bald den ersten Band von Stranges Geschichte und Ausübung der englischen Zauberei herausbringen sollte, war von der glückseligen Vorfreude erfüllt, einen beträchtlichen Gewinn zu machen. Der Artikel, der die Leser so faszinierte, war eine Beschreibung, wie Zauberer Tote herbeizitieren können, um nützliche Auskünfte von ihnen zu erhalten. Dieses schockierende (aber höchst interessante) Thema verursachte eine riesige Sensation und veranlasste angeblich mehrere junge Damen, in Ohnmacht zu sinken, sobald sie erfuhren, dass sich eine Ausgabe von Der Famulus im Haus befand. 121 Niemand konnte sich vorstellen, dass Mr. Norrell so eine Publikation je gutheißen würde, und deswegen kauften alle, die Mr. Norrell nicht mochten, ihr Exemplar mit besonderem Vergnügen.
Am Hanover Square las Mr. Lascelles Mr. Norrell laut vor. »›... Wo es dem Zauberer an Geschick und Wissen mangelt – und das gilt für alle modernen Magier, unser nationaler Genius ist in dieser Hinsicht leider längst nicht mehr, was er in früheren Zeiten war –, ist er oder sie gut beraten, den Geist von jemandem heraufzubeschwören, der zu Lebzeiten ein Zauberer war oder zumindest ein Talent für diese Kunst besaß. Denn wenn wir selbst uns des Pfades nicht sicher sind, ist es am besten, uns an jemanden zu wenden, der Kenntnisse besitzt und in der Lage ist, uns auf halbem Weg entgegenzukommen‹«
»Er wird alles zerstören!«, rief Mr. Norrell mit ungezügelter Leidenschaft aus. »Er ist entschlossen, mich zu vernichten.«
»Es ist gewiss sehr ärgerlich«, sagte Lascelles mit aller Gelassenheit der Welt. »Und Sir Walter hat er geschworen, dass er nach dem Tod seiner Frau die Zauberei aufgegeben hat.«
»Oh! Wir können alle sterben, halb London kann es hinwegraffen, aber Strange wird immer zaubern – er kann nicht anders. Er ist zu sehr Zauberer, um jetzt noch damit aufzuhören. Und die Zauberei, die er betreiben wird, ist böse – und ich weiß nicht, wie ich ihn davon abhalten soll!«
»Bitte, beruhigen Sie sich, Mr. Norrell«, sagte Lascelles. »Ich bin sicher, Ihnen wird bald etwas einfallen.«
»Wann wird sein Buch veröffentlicht?«
»Murrays Anzeige sagt, dass der erste Band im August erscheinen soll.«
»Der erste Band!«
»Ja. Wussten Sie das nicht? Es sollen drei Bände werden. Im ersten Band handelt er die ganze Geschichte der englischen Zauberei ab. Der zweite Band stattet die Leser mit einem genauen Verständnis ihrer Natur aus und der dritte legt das Fundament für ihre zukünftige Ausübung.«
Mr. Norrell stöhnte laut auf, ließ den Kopf sinken und schlug die Hände vors Gesicht.
»Selbstverständlich wird der Text ärgerlich sein«, fuhr Lascelles nachdenklich fort, »aber noch beunruhigender finde ich die Stiche. ..«
»Stiche?«, rief Mr. Norrell entsetzt. »Was für Stiche?«
»Ach«, sagte Lascelles, »Strange hat irgendeinen Ausländer aufgetan, der bei den besten Meistern von Italien, Frankreich und Spanien in die Schule gegangen ist, und er zahlt diesem Mann eine überaus extravagante Summe, um die Stiche zu machen.«
»Aber was wird darauf dargestellt? Was ist ihr Gegenstand?« »Tja, was?« Lascelles gähnte. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Er nahm den Famulus wieder auf und begann für sich zu lesen.
Mr. Norrell saß eine Zeit lang tief in Gedanken versunken da und kaute an den Fingernägeln. Nach einer Weile klingelte er und schickte nach Childermass.
Östlich vom Zentrum Londons befindet sich der Vorort Spitalfields, der weit und breit berühmt ist für die wunderschönen Seidenstoffe, die dort hergestellt werden. Es gibt in ganz England keine andere Seide von so edler Qualität wie die Seide von Spitalfields, und es wird sie auch nie geben. In der Vergangenheit wurden solide Häuser gebaut für die Seidenhändler, die Meisterweber und Färber, die es aufgrund des Handels zu Wohlstand brachten. Aber obwohl die Seide, die heutzutage von den Webern geliefert wird, noch genauso bemerkenswert ist wie früher, ist Spitalfields ziemlich heruntergekommen. Die Häuser sind schmutzig und schäbig. Die reichen Händler sind nach Islington, Clerkenwell und (wenn sie sehr reich sind) nach Marylebone im Westen gezogen. Heute wohnen in Spitalfields die Niederen und Armen, und kleine Jungen, Diebe und andere dem Frieden der Bürger feindselig gesinnte Personen treiben hier ihr Unwesen.
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