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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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die Augen auf. »Und hat Norrell wirklich vor, mir meinen Anteil zu geben? Ich hätte nicht gedacht, dass ich das Geld bekommen würde.«
    Childermass lächelte. »Mr. Norrell weiß nichts davon. Soll ich Ihnen das Geld heute Abend bringen?«
    »Gewiss. Ich werde nicht zu Hause sein, aber du kannst es Jeremy geben. Childermass, ich bin neugierig. Weiß Norrell, dass du dich hin und wieder unsichtbar machst und dich in einen Schatten verwandelst?«
    »Oh, ich habe hier und dort etwas aufgeschnappt. Ich stehe seit sechsundzwanzig Jahren in Mr. Norrells Dienst. Ich wäre schon ein sehr stumpfsinniger Mensch, wenn ich nichts gelernt hätte.«
    »Ja, natürlich. Aber danach habe ich nicht gefragt. Weiß Norrell davon?«
    »Nein, Sir. Er vermutet es, aber er zieht es vor, es nicht zu wissen. Ein Zauberer, der sein Leben in einem Raum voller Bücher verbringt, braucht jemanden, der bestimmte Dinge in der Welt für ihn erledigt. Das, was man in einer silbernen Schale mit Wasser herausfinden kann, hat seine Grenzen, wie Sie wissen.«
    »Hmm. Gut, komm mit. Du sollst sehen, was zu sehen du geschickt wurdest.«
    Das Haus wirkte sehr vernachlässigt, nahezu verlassen. Die Fenster und der Anstrich waren schmutzig, die Fensterläden geschlossen. Strange und Childermass warteten auf der Straße, während der Lakai an die Tür klopfte. Strange stand unter dem Schirm, und Childermass war der Regen, der auf ihn fiel, vollkommen einerlei.
    Eine Weile geschah nichts, und dann veranlasste etwas den Lakaien, nach unten zu blicken und ein Gespräch mit jemandem anzufangen, den außer ihm niemand sehen konnte. Wer immer diese Person war, Stranges Lakai hielt nicht viel von ihr; seine in Falten gelegte Stirn, die in die Hüfte gestemmten Hände, die Art, wie er sie ermahnte, zeugten von größter Ungehaltenheit.
    Nach einer Weile wurde die Tür von einem sehr kleinen, sehr schmutzigen, sehr ängstlichen Dienstmädchen geöffnet. Jonathan Strange, Childermass und der Lakai traten ein und blickten dabei auf sie hinunter, und sie, das arme Ding, war zu Tode verängstigt, weil so viele große, bedeutend wirkende Männer sie anschauten.
    Strange machte sich nicht die Mühe, sich ankündigen zu lassen -es schien ausgeschlossen, dass sie das kleine Dienstmädchen dazu überreden könnten, es zu tun. Stattdessen wies Strange Childermass an, ihm zu folgen, lief die Treppe hinauf und betrat sofort ein Zimmer. Dort, im trüben Schein vieler Kerzen, die eine Art Nebel verbreiteten – das Haus schien sein eigenes Wetter hervorzubringen –, fanden sie den Graveur, Monsieur Minervois, und seinen Gehilfen, Monsieur Forcalquier.
    Monsieur Minervois war kein großer Mann; er war eine schmächtige Gestalt. Er hatte langes Haar, so fein, dunkel, glänzend und weich wie eine Bahn brauner Seide. Es reichte ihm bis auf die Schultern und fiel ihm ins Gesicht, wenn er sich über seine Arbeit beugte – was nahezu immer der Fall war. Auch seine Augen waren bemerkenswert – groß, sanft und braun, wiesen sie auf seine südliche Herkunft hin. Monsieur Forcalquiers Aussehen bildete einen auffälligen Gegensatz zu der Schönheit seines Meisters. Er hatte ein knochiges Gesicht mit tief eingesunkenen Augen und einen rasierten Kopf, der mit hellen Borsten bedeckt war. Aber trotz seines leichenhaften, nahezu skelettartigen Aussehens war er von ausgesuchter Höflichkeit.
    Sie waren Flüchtlinge aus Frankreich, aber der Unterschied zwischen einem Flüchtling und einem Feind war zu fein für die Leute von Spitalfields. Monsieur Minervois und Monsieur Forcalquier waren überall als die französischen Spione bekannt. Aufgrund dieses ungerechten Leumunds hatten sie viel zu leiden: Banden von Mädchen und Jungen aus Spitalfields hielten es für die beste Unterhaltung an einem Feiertag, den zwei Franzosen aufzulauern, sie zu verprügeln und im Dreck zu rollen – wovon es in Spitalfields besonders viel gab. An anderen Tagen ließen die Nachbarn der Franzosen ihren Gefühlen freien Lauf, indem sie ihnen gegenüber griesgrämig waren, ihnen nachpfiffen und sich weigerten, ihnen zu verkaufen, was sie wollten oder brauchten. Strange hatte versucht, zwischen Monsieur Minervois und dem Hausbesitzer zu vermitteln und letzterem Herrn ein besseres Verständnis von Monsieur Minervois' Charakter und Lage einzubläuen, und er hatte Jeremy Johns in alle Schänken der Nachbarschaft geschickt, um mit den Einheimischen Gin zu trinken, sich zu unterhalten und bekannt zu machen, dass die beiden

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