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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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diesem Zimmer etwas, was Ihr Missfallen erregt?«, fragte Strange. »Ich bitte Sie, es mir zu sagen, sollte das der Fall sein. Ich bin überzeugt, dass Ihre zauberischen Sensibilitäten wesentlich feiner sind als meine. Aber es gibt gewisse Dinge, die sogar meine zauberischen Fähigkeiten beeinträchtigen – ich glaube, das ergeht allen Zauberern so. Ein Salzfässchen, eine Eberesche, ein Stück der heiligen Hostie – all das sind Dinge, die mich entschieden beunruhigen. Ich will nicht behaupten, dass ich in ihrer Gegenwart nicht zaubern kann , aber ich muss sie beim Zaubern immer mit in Betracht ziehen. Wenn hier etwas ist, was Ihnen missfällt, dann müssen Sie es nur sagen, und ich werde es liebend gern entfernen.«
    Der Herr schaute ihn einen Augenblick lang an, als hätte er nicht die geringste Ahnung, wovon Strange sprach. Dann rief er plötzlich: »Meine zauberischen Sensibilitäten, ja! Wie klug von Ihnen. Meine zauberischen Sensibilitäten sind, wie Sie richtig annehmen, gewaltig. Und gerade jetzt sagen sie mir, dass Sie kürzlich einen sehr machtvollen Gegenstand erworben haben! Einen Ring zum Entzaubern? Eine Urne der Sichtbarkeit? Etwas in der Art? Meine herzlichen Glückwünsche! Zeigen Sie mir den Gegenstand, und ich werde Sie sofort in seiner Geschichte und seinem angemessenen Gebrauch unterweisen.«
    »Eigentlich nicht«, sagte Strange überrascht. »Ich besitze nichts dergleichen.«
    Der Herr runzelte die Stirn. Er starrte zuerst auf einen Nachttopf, der halb versteckt unter dem Tisch stand, dann auf einen Trauerring, der einen auf Elfenbein gemalten Miniaturengel enthielt, und schließlich auf einen bemalten Keramikbecher, der einst kandierte Pfirsiche und Pflaumen enthalten hatte. »Vielleicht sind Sie zufällig in seinen Besitz gelangt?«, fragte er. »Solche Gegenstände können sehr mächtig sein, auch wenn der Zauberer nicht weiß, dass er sie besitzt.«
    »Ich glaube wirklich nicht«, sagte Strange. »Diesen Becher zum Beispiel habe ich bei einem Konditor in Genua gekauft. In dem Geschäft gab es Dutzende davon. Ich wüsste nicht, warum der eine magisch sein sollte und alle anderen nicht.«
    »Nein, natürlich nicht«, stimmte der Herr ihm zu. »Und es scheint hier nichts anderes zu geben als die üblichen Dinge. Ich meine selbstverständlich«, fügte er hastig hinzu, »Dinge, wie man sie in der Unterkunft eines Zauberers von Ihrem Genie erwarten sollte.«
    Eine Weile herrschte Schweigen.
    »Sie antworten nicht auf mein Angebot«, sagte Strange. »Sie sind unentschlossen, bis Sie mich besser kennen. Genau so sollte es sein. In ein, zwei Tagen werde ich mir die Ehre erweisen und Sie erneut um Ihre Gesellschaft bitten. Dann werden wir weiterreden.«
    »Es war eine überaus interessante Unterhaltung«, sagte der Herr.
    »Die erste von vielen, hoffe ich«, sagte Strange höflich und verneigte sich.
    Der Herr verneigte sich seinerseits.
    Dann entließ Strange den Herrn aus dem Zitierungszauber, und er verschwand auf der Stelle.
    Stranges Aufregung war riesengroß. Er vermutete, dass er sich setzen und sachliche, gelehrte Notizen machen sollte über das, was er erlebt hatte, aber er hatte Mühe, nicht zu tanzen, zu lachen und in die Hände zu klatschen. Er vollführte tatsächlich ein paar Schritte eines Landlers, und wenn die geschnitzte Figur nicht an der Säule befestigt gewesen wäre, hätte er sie gewiss heruntergenommen und wäre mit ihr durch den Raum gewirbelt.
    Nachdem der Tanzanfall verebbt war, war er heftig versucht, an Norrell zu schreiben. Er setzte sich und begann, einen sarkastischen triumphierenden Brief zu verfassen. (»Sie werden zweifelsfrei hocherfreut sein zu erfahren...«) Aber dann überlegte er es sich anders. »Es wird ihn nur dazu provozieren, mein Haus verschwinden zu lassen. Ha! Wie wütend er sein wird, wenn ich nach England zurückkehre. Ich werde die Neuigkeit sofort nach meiner Ankunft veröffentlichen. Ich werde nicht auf die nächste Ausgabe des Famulus warten. Das würde zu lange dauern. Murray wird sich beschweren, aber da kann ich ihm nicht helfen. Die Times wäre am besten. Ich frage mich, was er mit diesem Unsinn über machtvolle Ringe und Nachttöpfe meinte. Vermutlich hat er versucht, sich zu erklären, dass ich ihn erfolgreich herbeizitiert habe.«
    Insgesamt hätte er nicht zufriedener sein können, wenn er John Uskglass selbst herbeigerufen und sich eine halbe Stunde kultiviert mit ihm unterhalten hätte. Das einzig Beunruhigende an der Sache war die

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