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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Tisch nahe dem Kamin stand eine Vase mit Mistel, Efeu, Stechpalme und roten Beeren sowie ein paar Zweigen eines winterblühenden Strauchs. Er hielt seinen Blick fest auf die Vase gerichtet und begann vor sich hin zu murmeln.
    Alle Schatten im Raum machten etwas Merkwürdiges, das nicht einfach zu beschreiben oder zu erklären ist. Es schien, als drehten sie sich und blickten in eine andere Richtung. Selbst als sie wieder reglos waren, hätten Childermass und Lascelles nur schwerlich sagen können, ob sie die gleichen waren wie zuvor oder nicht.
    Etwas fiel aus der Vase und zerbrach mit einem klimpernden Geräusch auf dem Tisch.
    Lascelles ging zum Tisch und untersuchte es. Einer der Stechpalmenzweige hatte sich in Glas verwandelt. Der Glaszweig war zu schwer für die Vase gewesen, deshalb war er herausgefallen; zwei oder drei Stechpalmenblätter, die ganz geblieben waren, lagen auf dem Tisch.
    »Dieser Zauber hat seit fast vierhundert Jahren nicht mehr gewirkt«, sagte Mr. Norrell. »Watershippe erwähnt ihn ausdrücklich in Ein schöner Wald verdorrt als eines der Zauberstücke, das in seiner Jugend wirkte und völlig unbrauchbar wurde, als er zwanzig Jahre alt war.«
    »Ihre überlegenen Fähigkeiten...«, hob Lascelles an.
    »Meine überlegenen Fähigkeiten haben überhaupt nichts damit zu tun!«, blaffte Mr. Norrell ihn an. »Ich kann keine Zauberei betreiben, die es nicht gibt. Die Zauberei kehrt nach England zurück. Strange hat eine Möglichkeit gefunden, sie zurückzubringen.«
    »Dann hatte ich Recht, oder?«, sagte Lascelles. »Und unsere erste Aufgabe ist es, ihn daran zu hindern, nach England zurückzukehren. Wenn Sie das schaffen, dann wird Lord Liverpool Ihnen viele andere Dinge nachsehen.«
    Mr. Norrell dachte einen Augenblick lang nach. »Ich kann ihn daran hindern, auf dem Seeweg zu kommen«, sagte er.
    »Hervorragend!«, sagte Lascelles. Dann ließ ihn etwas an der Art, in der Mr. Norrell die letzte Feststellung formuliert hatte, stutzen. »Nun, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass er auf irgendeinem anderen Weg kommt. Er kann nicht fliegen!« Bei dieser Vorstellung lachte er laut. Dann kam ihm ein weiterer Gedanke in den Sinn. »Oder doch?«
    Childermass zuckte die Achseln.
    »Ich weiß nicht, wozu Strange mittlerweile in der Lage ist«, sagte Mr. Norrell. »Aber daran dachte ich nicht. Ich dachte an die Königswege.«
    »Ich dachte, die Königswege führen ins Elfenland«, sagte Lascelles.
    »Ja, das stimmt. Aber nicht nur ins Elfenland. Die Königswege führen überallhin. In den Himmel. In die Hölle. In die Parlamentsgebäude ... Sie wurden mit Hilfe von Zauber gebaut. Jeder Spiegel, jede Pfütze, jeder Schatten in England ist ein Tor zu diesen Wegen. Ich kann nicht jedes von ihnen mit einem Schloss versehen. Niemand könnte das. Es wäre eine ungeheuerliche Aufgabe. Falls Strange auf den Königswegen kommt, dann kenne ich kein Mittel, um ihn daran zu hindern.«
    »Aber...«, begann Lascelles.
    »Ich kann ihn nicht daran hindern!«, rief Mr. Norrell und rang die Hände. »Bitten Sie mich nicht darum! Aber« – er beruhigte sich unter größten Mühen – »ich kann mich darauf vorbereiten, ihn zu empfangen. Der Größte Zauberer des Zeitalters. Nun, bald werden wir es wissen, nicht wahr?«
    »Falls er nach England kommt«, sagte Lascelles, »wohin wird er dann als Erstes gehen?«
    »Hurtfew Abbey«, sagte Childermass. »Wohin sonst?«
    Mr. Norrell und Lascelles wollten ihm gerade antworten, doch in diesem Augenblick trat Lucas mit einem Silbertablett ein, auf dem ein Brief lag. Er hielt es Lascelles hin. Lascelles brach das Siegel und las ihn eilig.
    »Drawlight ist wieder da«, sagte er. »Warten Sie hier auf mich. Ich bin in einem Tag zurück.«
KAPITEL 62
Ich kam in einem Schrei zu ihnen, der die Stille des winterlichen Waldes zerriss
Anfang Februar 1817
    Erstes Licht des Morgens Anfang Februar: eine Wegkreuzung in der Mitte eines Waldes. Zwischen den Bäumen war es dunstig und unbestimmt; die Dunkelheit der Bäume sickerte hinein. Keiner der beiden Wege war von großer Bedeutung. Sie waren gefurcht und schlecht instand gehalten; einer war kaum mehr als ein Pfad für einen Karren. Es war ein völlig verlassener Ort, der auf keiner Karte eingezeichnet war. Er hatte nicht einmal einen Namen.
    Drawlight wartete an der Kreuzung. Kein Pferd, das in der Nähe stand, kein Stallbursche mit Fuhrwerk oder Karren, nichts, das erklärte, wie er hierher gekommen war. Doch er stand eindeutig schon seit

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