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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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recht deutlich wissen, dass ihre Gesellschaft und ihre Unterhaltung für ihn eine Belastung darstellten; und das arme Ding litt sehr darunter. Laurence Stranges Anwesen befand sich in Shropshire, in einem abgelegenen Landesteil nahe der Grenze zu Wales. Mrs. Strange kannte dort niemanden. Sie war das Stadtleben gewohnt, Edinburgh-Bälle, Edinburgh-Geschäfte und die angeregte Unterhaltung mit ihren Edinburgh-Freunden; der Anblick der hohen, düsteren Hügel, die dauernd vom walisischen Regen verschleiert waren, bedrückte sie. Sie ertrug diese einsame Existenz fünf Jahre lang, bis sie schließlich an einer Erkältung starb, die sie sich auf einem einsamen Spaziergang über ebendiese Hügel während eines Unwetters zugezogen hatte.
    Mr. und Mrs. Strange hatten ein Kind, das zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter etwa vier Jahre alt war. Mrs. Strange war gerade erst ein paar Tage unter der Erde, als das Kind Gegenstand eines heftigen Streits zwischen Laurence Strange und der Familie seiner verstorbenen Frau wurde. Die Erquistounes bestanden darauf, dass laut Ehevertrag ein großer Teil von Mrs. Stranges Vermögen für ihren Sohn zur Seite gelegt werden musste, damit er es bei Erreichen der Volljährigkeit erben konnte. Laurence Strange behauptete – zu niemandes großer Überraschung –, dass jeder Penny von dem Geld seiner Frau zu seiner freien Verfügung stand. Beide Parteien konsultierten Advokaten, und es kam zu zwei getrennten Prozessen, einer vor einem Gericht in London und einer vor einem schottischen Gericht. Die beiden Prozesse, Strange gegen Erquistoune und Erquistoune gegen Strange , zogen sich über Jahre hin, und während dieser Zeit rief der bloße Anblick seines Sohnes Unmut in Laurence Strange hervor. Der Junge kam ihm wie ein sumpfiges Feld oder wie ein Dickicht aus kranken Bäumen vor – auf dem Papier zwar Geld wert, aber außerstande, eine anständige jährliche Rendite abzuwerfen. Wenn das englische Gesetz Laurence Strange gestattet hätte, seinen Sohn zu veräußern und sich einen besseren zu kaufen, so hätte er dies wahrscheinlich getan. 29
    In der Zwischenzeit wurden die Erquistounes gewahr, dass Laurence Strange seinen Sohn ebenso unglücklich zu machen vermochte, wie er es mit seiner Frau getan hatte, also schrieb Mrs. Stranges Bruder einen dringenden Brief an Mr. Strange, in dem er vorschlug, dass der Junge einen Teil des Jahres in seinem Haus in Edinburgh verbringen solle. Zu Mr. Erquistounes großer Überraschung hatte Mr. Strange keine Einwände. 30 So ergab es sich, dass Jonathan Strange als Kind die Hälfte eines jeden Jahres in Mr. Erquistounes Haus am Charlotte Square in Edinburgh verbrachte, wo er, wie anzunehmen ist, keine gute Meinung von seinem Vater entwickelte. Dort erhielt er, zusammen mit seinen drei Cousinen Margaret, Maria und Georgiana Erquistoune, seine erste Schulbildung. 31
    Edinburgh ist gewiss eine der zivilisiertesten Städte der Welt, und seine Bewohner stehen den Bewohnern Londons in nichts nach, was Klugheit und Freude an Vergnügungen angeht. Immer wenn Jonathan Strange bei Mr. und Mrs. Erquistoune war, taten sie alles in ihrer Macht Stehende, um ihn glücklich zu machen, und hofften, sie könnten damit die Vernachlässigung und Kälte im Haus seines Vaters wettmachen. Daher ist es kein Wunder, dass er ein wenig verwöhnt wurde, ein bisschen selbstverliebt war und eine gute Meinung von sich hatte.
    Laurence Strange wurde älter und reicher, aber nicht besser. Ein paar Tage vor Mr. Norrells Unterredung mit Vinculus nahm ein neuer Diener seine Arbeit in Laurence Stranges Haus auf. Die anderen Dienstboten standen ihm mit Rat und Tat zur Seite: Sie erzählten dem neuen Diener, dass Laurence Strange stolz und gehässig war, dass jeder ihn hasste, dass er Geld über alles liebte und dass er und sein Sohn seit Jahren kaum noch miteinander sprachen. Sie sagten auch, dass er das Temperament eines Teufels hatte und dass der neue Diener auf gar keinen Fall irgendetwas tun durfte, was ihn kränken könnte, sonst würden sich die Dinge für ihn zum Schlimmsten wenden.
    Der neue Diener dankte ihnen für die Informationen und versprach zu beherzigen, was sie ihm erzählt hatten. Doch was die anderen Dienstboten nicht wussten, war, dass der neue Diener einen Charakter hatte, der es mit dem von Mr. Strange aufnehmen konnte; dass er gelegentlich sarkastisch und häufig unfreundlich war und dass er eine hohe Meinung von seinen eigenen Fähigkeiten und eine dementsprechend geringe

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