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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Es reicht nicht mehr aus, sich ausgesucht zu kleiden, zu jeder Gelegenheit den passenden Schmuck anzulegen, sich auf Französisch zu unterhalten, Klavier zu spielen und zu singen. Nun muss sie ihre Aufmerksamkeit der französischen Küche und den französischen Weinen zuwenden. Obgleich andere Leute sie in diesen wichtigen Angelegenheiten beraten können, muss sie sich von ihrem eigenen Geschmack und ihren eigenen Neigungen leiten lassen. Sie verachtet die gastgeberischen Fähigkeiten ihrer Mutter und möchte die Dinge anders angehen. In London essen die eleganten Leute vier- oder fünfmal in der Woche auswärts. Wird es jedoch einer jungen Braut – mit neunzehn Jahren und geringer Küchenerfahrung – gelingen, sich ein Mahl auszudenken, das solchermaßen übersättigte Gaumen überraschen und erfreuen kann?
    Dann sind da die Dienstboten. Im Haus einer jungen Braut sind sämtliche Diener neu eingestellt. Wenn etwas rasch gebraucht wird – Kerzen, andere Gabeln, ein festes Tuch, mit dem man die heiße Suppenterrine tragen kann –, werden sie in der Lage sein, es zu finden?
    Im Falle von Lady Poles Haushalt in der Harley Street 9 waren die Probleme dreifacher Art. Die Hälfte der Dienerschaft stammte aus Northamptonshire – von ihrem Anwesen in Great Hitherden –, die andere Hälfte war in London neu eingestellt worden; und wie jeder weiß, gibt es einen himmelweiten Unterschied zwischen Dienstboten vom Land und Dienstboten aus der Stadt. Es ist nicht eine Frage der Pflichten. Dienstboten müssen in Northamptonshire genauso kochen und putzen und schleppen wie in London. Nein, der Unterschied liegt vielmehr in der Art der Ausführung. Nehmen wir einmal an, ein Gutsbesitzer aus Northamptonshire besucht seinen Nachbarn. Am Ende des Besuchs holt der Diener den Überzieher des Gutsbesitzers und hilft ihm hinein. Während er das tut, ist es ganz natürlich, dass sich der Diener beim Gutsbesitzer höflich nach dem Befinden der Frau des Gutsbesitzers erkundigt. Der fühlt sich nicht im Geringsten beleidigt und antwortet seinerseits mit ein paar Fragen. Vielleicht hat er gehört, dass die Großmutter des Dieners bei der Kohlernte im Garten hingefallen ist und sich verletzt hat, und er möchte wissen, ob sie sich wieder erholt hat. Der Gutsbesitzer und der Diener leben in einer kleinen Welt und kennen sich seit Kindertagen. Doch in London verhält es sich ganz anders. Ein Diener in London darf die Gäste seines Herrn nicht ansprechen. Er muss so aussehen, als wüsste er nicht, dass es solche Dinge wie Großmütter und Kohlköpfe gibt.
    In der Harley Street 9 fühlten sich Lady Poles Dienstboten vom Land unsicher, hatten ständig Angst, etwas falsch zu machen, und wussten nie, was richtig war. Selbst ihre Sprache wurde für falsch befunden und verspottet. Ihr Dialekt aus Northamptonshire war für die Londoner Dienstboten nicht immer verständlich (die, so viel muss gesagt werden, keine großen Anstrengungen unternahmen, sie zu verstehen), und sie benutzten Ausdrücke wie Erdäpfel, Rahm, Ross und Topf für Dinge, die sie eigentlich Kartoffeln, Sahne, Pferd und Gefäß nennen sollten.
    Die Londoner Dienstboten machten sich einen Spaß daraus, den Dienstboten vom Land Streiche zu spielen. Sie gaben Alfred, einem jungen Diener, Teller mit widerlichem dreckigem Wasser mit den Worten, es handele sich um französische Suppe, und baten ihn, sie den anderen Dienstboten zum Abendessen zu servieren. Häufig schickten sie die Dienstboten nach dem Metzgersburschen, dem Bäcker und dem Laternenanzünder, um ihnen eine Bestellung zu überbringen. Die Bestellungen bestanden weitgehend aus Londoner Ausdrücken, und die Dienstboten vom Land konnten damit nichts anfangen, doch für den Metzgersburschen, den Bäcker und den Laternenanzünder, die sie sehr wohl verstanden, waren sie gemein und kränkend. Der Metzgersbursche gab Alfred deswegen einmal eine aufs Auge, während die Londoner Dienstboten sich in der Vorratskammer versteckten, horchten und lachten.
    Natürlich beschwerten sich die Dienstboten vom Land nachdrücklich bei Lady Pole (die sie ihr ganzes Leben lang kannten) über die Art, wie man ihnen nachstellte, und Lady Pole war schockiert, als sie herausfand, wie unglücklich all ihre alten Freunde in ihrem neuen Zuhause waren. Doch sie war unerfahren und unsicher, was zu tun sei. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel an dem, was die Dienstboten vom Land gesagt hatten, aber sie fürchtete, ihre Lage zu verschlimmern.
    »Was soll

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