Jonathan Strange & Mr. Norrell
Licht mit einer Münze darin in der Hand. Das Licht war eigenartig. In seinem Schein sahen Mrs. Brandy, John und Toby anders aus als sonst: Mrs. Brandy wirkte stolz und hochmütig, John verschlagen und hinterhältig und Toby wild und grausam. Unnötig zu erwähnen, dass diese Eigenschaften nichts mit ihrem wahren Charakter zu tun hatten. Aber noch merkwürdiger war die Verwandlung, die das Licht bei den Dutzenden von kleinen Mahagonischubladen bewirkte, die eine Wand des Ladens bedeckten. An anderen Abenden bezeichneten die goldenen Schriftzüge auf den Schubladen ihren Inhalt, wie zum Beispiel: Muskatblüten (Blätter), Senfkörner (Geschält), Muskatnüsse, Fenchelpulver, Lorbeerblätter, Pfeffer aus Jamaika, Ingweressenz, Kümmel, Pfefferkörner und Essig und all die anderen Waren eines eleganten, florierenden Lebensmittelgeschäfts. Aber jetzt fanden sich dort Bezeichnungen wie: Gnade (Verdient), Gnade (Unverdient), Albträume, Glück, Pech, Verfolgung durch Familie, Undankbarkeit der Kinder, Verwirrung, Scharfsinn und Wahrhaftigkeit . Nur gut, dass keiner der drei die sonderbare Veränderung bemerkte. Hätte sie davon gewusst, Mrs. Brandy wäre höchst bekümmert gewesen. Sie hätte nicht im Entferntesten gewusst, was sie für diese neuen Waren hätte verlangen sollen.
»Nun«, sagte Mrs. Brandy, »irgendwoher müssen sie ja kommen. Hat heute jemand seine Rechnung bezahlt?«
John schüttelte den Kopf. Toby ebenfalls. »Und außerdem«, sagte Toby, »schuldet uns niemand so viel, natürlich mit Ausnahme der Herzogin von Worksop, und ehrlich gesagt, Ma'am, in diesem Fall...«
»Ja, ja, Toby, schon gut«, unterbrach ihn Mrs. Brandy. Sie dachte kurz nach. »Vielleicht hat ein Herr, der sich den Regen auf dem Gesicht trocknen wollte, sein Taschentuch herausgezogen, und dabei ist aus Versehen das Geld aus seiner Tasche auf den Boden gefallen.«
»Aber wir haben es nicht auf dem Boden gefunden«, sagte John. »Es war hier in der Kassette mit dem restlichen Geld.«
»Tja«, sagte Mrs. Brandy. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hat heute jemand mit einer Guinee bezahlt?«
Nein, erklärten Toby und John, heute habe niemand mit einer Guinee bezahlt, ganz zu schweigen von fünfundzwanzig solcher Guineen oder von fünfundzwanzig solcher Personen.
»Und so gelbe Guineen, Ma'am«, bemerkte John, »eine wie die andere, keine im Geringsten angelaufen.«
»Soll ich gehen und Mr. Black holen, Ma'am?«, fragte Toby.
»O ja«, sagte Mrs. Brandy sofort. »Aber vielleicht auch nicht. Wir sollten Mr. Black nicht belästigen, außer es stimmt wirklich etwas nicht. Und es stimmt doch alles, oder, Toby? Oder vielleicht doch nicht. Ich weiß es nicht.«
Das plötzliche und unerklärliche Auftauchen von großen Summen Geld ist in unserer modernen Zeit so selten, dass weder Toby noch John ihrer Herrin bei der Entscheidung helfen konnten, ob alles stimmte oder nicht.
»Aber andererseits«, fuhr Mrs. Brandy fort, »ist Mr. Black so klug. Ich denke, er wird dieses Rätsel sofort lösen. Geh in die Harley Street, Toby. Richte Mr. Black meine besten Empfehlungen aus und sage ihm, dass ich gern mit ihm sprechen würde, wenn er frei ist. Nein, warte. Sag das nicht, es klingt so überheblich. Du musst dich für die Störung entschuldigen und sagen, dass ich dankbar wäre – nein, mich geehrt fühlen würde – nein, dankbar wäre, wenn er kurz kommen könnte, wenn er zufälligerweise Zeit hat.«
Mrs. Brandy kannte Stephen Black seit der Zeit, als Sir Walter Pole die Schulden seines Großvaters und Mrs. Brandy das Geschäft ihres Mannes geerbt hatten. Jede Woche war Stephen mit einer Guinee oder zwei gekommen, um die Schulden abzuzahlen. Aber seltsamerweise nahm Mrs. Brandy das Geld nur ungern an. »Oh, Mr. Black«, sagte sie. »Bitte, stecken Sie das Geld wieder ein. Bestimmt braucht es Sir Walter dringender als ich. Das Geschäft ging letzte Woche so gut. Wir haben gerade ganz ausgezeichneten Carracca-Kakao im Laden, und die Leute sind so nett und erzählen, dass es der beste in ganz London ist – jedem anderen Kakao in Geschmack und Konsistenz weit überlegen –, und aus der ganzen Stadt haben die Leute danach geschickt. Möchten Sie nicht eine Tasse, Mr. Black?«
Dann brachte Mrs. Brandy den Kakao in einer hübschen Kakaokanne aus blau-weißem Porzellan, schenkte Stephen eine Tasse ein und erkundigte sich besorgt, wie er ihm schmecke; denn es schien, dass Mrs. Brandy, obwohl Leute aus der ganzen Stadt danach geschickt hatten,
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