Jones, Diana Wynne
»Eigentlich nicht«, entgegnete ich und senkte den Kopf, weil mein Gesicht so heiß geworden war.
»Der König«, wisperte Jay. »Der König, kleine Dame! In seinem Kopf nimmt der Gedanke Gestalt an, dass er keine Frau mehr hat, und er bedarf der Macht des Einen. Hat er noch nie mit dir gesprochen? Hat er nie erwähnt, dass er einen Erben braucht?«
»Damit soll er gemeint haben, dass er Robin heiraten möchte?«, fragte ich. »Darauf wäre ich nie gekommen!«
»Mein Glück, dass du ihn nicht verstanden hast«, sagte Jay. Er war heiter vor Erleichterung. »Sprich zu meinen Gunsten mit deiner Schwester – und beeile dich. Sag ihr, dass ich mich nicht wissentlich gegen den König stellen kann, sodass es an ihr liegt, mich zu heiraten, bevor der König sich ihr erklärt. Sag ihr das. Sag ihr, sie ist das schönste Mädchen, das ich kenne.«
Damit ging er fort. Ich blieb sitzen und starrte auf Robins wächsernes Gesicht. Sie hob den Kopf vom Kissen, kaum dass die Tür sich hinter Jay geschlossen hatte.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich.
»Jay will den Einen«, sagte Robin, »genau wie der König. Ach, ich wünschte, ich wäre tot!« So etwas hatte sie noch nie gesagt, und ich wusste, dass ihr ernst damit war. Weinend ließ sie sich ins Bett zurücksinken und rollte sich elend hin und her; die Katzen sprangen von ihr fort.
»Nein, hör auf damit«, beschwor ich sie. »Ich denke über etwas nach. Ich bin schon fast damit durch.« Ich schoss davon, um Hern zu suchen, was ich hatte tun wollen, bevor Jay auftauchte.
Robin rief mir mit tränenerstickter Stimme nach: »Tanaqui, bitte verzeih mir! Fortwährend beschwere ich mich bei dir. Dabei zeigst du solche Sanftmut.«
Sanftmut? Wenn Robin wüsste! »Ich hätte dich schon tausendmal fast geschlagen«, rief ich zurück und stürzte in den blauen Abend hinaus.
Hern saß mürrisch an einem Baum. Hinter ihm spiegelten sich die Kochfeuer des königlichen Lagers als fröhliche Leuchtstreifen im Wasser des Mühlteichs. Ich hörte Männer singen. »Hern«, sprach ich ihn an, »als Gull und Vater in den Krieg zogen, was hast du den Unvergänglichen da geschworen?«
»Ich sagte, ich würde das Land von den Heiden befreien«, antwortete Hern säuerlich. »Ha-ha. Lass mich in Ruh.«
»Oh«, machte ich. Mir war nicht klar, was der Eine aus diesem Schwur machen konnte. Mein Schwur war einfacher. Ich hatte gebeten, als Junge in den Krieg geschickt zu werden, und Ked hielt mich tatsächlich für einen Jungen, weil ich Herns Sachen trug. »Noch etwas«, sagte ich zu Hern. »Dieses Heidenmädchen auf dem Dach, die uns von den Gezeiten erzählt hat – was hatte sie an?«
Hern runzelte die Stirn. »Eine Art blauen Wollmantel … Nein. Das kann nicht sein. Heiden tragen keine Wollmäntel. Ich weiß es nicht mehr.«
Das war es. »Tanamil trug einen Wollmantel«, sagte ich.
»Kars Adon würde vermutlich sagen, er habe sich der Lebensweise der Eingeborenen angeschlossen«, entgegnete Hern düster und verriet mir dadurch, woran er dachte. Seit der zerstörten Brücke hatten wir über Kars Adon nichts Neues mehr gehört. »Lass mich allein.«
Ich ging fort und sah mir unter der Lampe meinen Wollmantel noch einmal an. Als Robin fragte, was ich täte, entgegnete ich, ich wolle ihn noch zusammennähen und würde bald ins Bett gehen.
»Ich habe ihn mir angeschaut«, sagte Robin. »Er ist wunderschön. Aber warum benutzt du dieses fremdartige Wort für Strom? Ich denke andauernd, du sprichst in Wirklichkeit über den Einen.«
Mir war, als falle plötzlich ein heller Lichtschein hernieder. »Robin«, sagte ich, »ich wusste doch, dass du mir helfen würdest!« Sie sprach von Tanamils Zeichen für den Strom. Vom Zeichen für Bruder unterscheidet es sich nicht sehr. Das war mir schon mehrfach aufgefallen. Nun stürzte ich nach draußen, griff mir eine Hand voll Binsen vom Mühlbach und flocht sie unter dem Lampenlicht mit wilden Bewegungen zusammen. Ich webte die beiden Zeichen meines eigenen Namens: Tanaqui. Ich webe es hier ein, um zu zeigen, was ich meine: Seht: zusammen – Binsen; getrennt – jüngere Schwester. Dann holte ich mir noch mehr Binsen und flocht erneut: Adon, Amil, Oreth – die geheimen Namen des Einen. Adon unterscheidet sich nur um einen Faden von Herr. Bei Oreth erkenne ich die Gemeinsamkeiten nicht so genau. Es ist ein Zeichen für Weben oder Knoten, aber nicht das Geläufige. Amil jedoch entspricht bis auf einen Faden dem Zeichen für Strom. Ich löste
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