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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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fangen, dann sitzen nicht wenige Freunde von mir tief in der Tinte.«
    Obwohl er vom schimmernden Meer kein Zeichen erhielt, fühlte Mitt sich besser, während er am oberen Rand des Steilhangs entlanghastete. Als er die Stelle erreichte, an der die Kinder häufig an der Wand herumkletterten, schlüpfte er über die Kante und stand rasch auf der freien Fläche vor Alks Schuppen. Es war so einfach gewesen, dass Mitt es kaum glauben konnte.
    Und es ging einfach weiter. Mitt schlich sich zwischen den Gebäuden des Herrensitzes von einem wohlbekannten Winkel zum anderen, und niemand rührte sich; kein Geräusch störte die Ruhe außer dem leisen Knirschen unter seinen Sohlen, als er den Kiesplatz vor der Bibliothek überquerte. In den oberen Fenstern brannte hier und da ein Licht. Davon abgesehen, hätte man den Herrensitz für menschenleer halten können. Er fühlte sich an die alten Zeiten in Holand erinnert, als er sich mit einer geheimen Nachricht an fremde Orte schlich. Ja, heute war es wirklich so ähnlich wie damals. Es kam ihm überhaupt nicht vor, als hätte er jemals auf diesem Herrensitz gewohnt. Und damit ist es jetzt auch vorbei, dachte er bedauernd, während er vorsichtig, einen Fuß vor den anderen setzend, den dunklen Bogengang durchschlich und endlich die Stufen erreichte, die zur Bibliothek hinaufführten.
    Oben auf der Treppe angekommen, tastete er die Tür ab, bis er den Griff fand. Sanft, ganz sanft drehte er den großen Ring, bis er die Tür aufdrücken und in den Raum treten konnte, in dem es muffig nach Holz und Büchern roch. In der Bibliothek war es so dunkel, dass Mitt sich allein auf sein Tastgefühl und seine Erinnerung verlassen musste, um die Vitrine mit dem Ring zu finden. Doch weil er das Glas zerbrechen musste, was vielleicht jemand hörte, schloss er die Tür genauso leise hinter sich, wie er sie geöffnet hatte. Dann trat er in den Raum.
    Kna-ack!
    »Lodernder Ammet!«, murmelte Mitt. »Ich hätte dran denken sollen, wie laut dieser verdammte Boden ist!«
    Mit einem metallischen Klappern flammte blendend grelles Licht auf.
     

9.
    Mitt empfand nicht einmal Verzweiflung. Er fühlte sich tot. Er war ertappt worden. Eines Tages musste es geschehen, das hatte er immer gewusst. Er blieb reglos stehen und blinzelte in das Licht, während er sich fragte, ob die Gräfin ihm allein aufgelauert hatte oder ob Graf Keril bei ihr war.
    Das Licht kam aus einer dunklen Laterne, die auf genau der Vitrine stand, die er hatte ausrauben wollen. Als Mitt seitlich daran vorbeiblickte, sah er das verstimmte Gesicht auf dem Porträt des Adons, das noch immer auf der Staffelei stand. Daneben, in einem großen Sessel aus dunklem Holz, saß Alk, massig wie er war, und blinzelte ebenfalls. Entweder hatte das Licht auch ihn geblendet, oder er hatte geschlafen – das war wahrscheinlicher, denn Alk gähnte, bevor er das Wort ergriff.
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst erst mit mir reden, bevor du irgendwelche Dummheiten begehst. Hast du die Tür zugemacht?«
    Mitt nickte.
    »Dann komm her«, sagte Alk.
    Mitt ging, noch immer sprachlos, über mehrere Meilen entsetzlich knirschenden Fußboden, bis er neben dem Tisch und der Vitrine vor Alks Stuhl stand. Alk streckte eine fleischige Hand vor und schloss behutsam die eiserne Blende der Laterne, bis die Bibliothek wieder in tiefe Schatten getaucht war.
    »Stell dich dorthin«, sagte Alk und winkte mit der anderen Hand.
    Kummervoll gehorchte Mitt und entfernte sich von Tisch und Vitrine und blieb am Rand des Lichtsees neben der Staffelei stehen. Alk war zwar allein, doch das bedeutete keinen Trost. Mitt wusste sehr gut, wie kräftig und reaktionsschnell Alk war. Alk hatte ihn dorthin gestellt, wo es für Mitt unmöglich war, vor ihm zur Tür zu gelangen.
    »Heute Nacht wollte ich ein wenig nachschlagen«, bemerkte Alk und gähnte abermals. »Das habe ich wenigstens meiner Gräfin gesagt. Ich habe mit ihr gesprochen, wie ich’s dir angekündigt hatte, und was sie mir zu sagen hatte, hat mir gar nicht gefallen. Ohne Umschweife, wir haben uns gestritten, kaum dass Keril wieder fort war – und das ist noch nie zwischen uns vorgefallen.« Er blinzelte Mitt an, müder, verdrossener und grimmiger, als Mitt ihn je zuvor gesehen hatte. »Was hältst du davon? Du als Anlass des Streits?«
    Mitt räusperte sich; seine Kehle war irgendwie ganz eng geworden. »Das tut mir Leid.«
    »Freut mich zu hören«, knurrte Alk. »Jedenfalls musste ich darüber nachdenken. Und mir

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