Jones, Diana Wynne
fest, dass die Gräfin Alk nichts von Hildi und Ynen erzählt hatte. »Was kann ich denn tun?«, fragte Mitt, um dem Thema auszuweichen.
»Nein, nein«, beharrte Alk auf seiner Forderung. »Erst das Versprechen.«
»Ich möchte lieber nichts versprechen«, erwiderte Mitt. »Wer weiß, was noch geschieht.«
»Unsinn«, entgegnete Alk. »Wie ich dir schon erklärt habe, noch hast du gegen kein Gesetz verstoßen. Du bist losgeritten, um Navis Haddsohn zu besuchen. Du bist zurückgekehrt, um mit mir zu reden.«
»Ich bin gekommen, um den Ring zu klauen«, sagte Mitt und sah ihn an, wie er unter dem Glas funkelte.
»Aber das weiß nur ich, und du wirst es nicht tun. Womit auch immer sie dir gedroht haben, ich stehe dir zur Seite, wenn du mir dieses Versprechen gibst.«
Womit auch immer? Vielleicht wusste Alk also doch über Hildi und Ynen Bescheid. Mitt blickte forschend in Alks großes, schattenüberzogenes Gesicht. Es verriet ihm gar nichts. »Was kannst du schon gegen Keril ausrichten?«
»Ihn dem Gesetz überantworten«, sagte Alk. »Ich verstehe es nicht! Jeder hier scheint vergessen zu haben, dass ich einmal ein Rechtsgelehrter gewesen bin! Und das Gesetz ist für Graf und Fischer das Gleiche. Gibst du mir das Versprechen?«
»Ich …« Mitt war sich nicht sicher, ob er es wagen durfte.
»Ich will es dir leichter machen«, sagte Alk. »Du bist nicht hergekommen, um den Ring zu stehlen. Du bist hergekommen, um mich zu bitten, ihn dir zu geben.«
»Was?« Eigenartig, wie die Bibliothek plötzlich heller, wärmer, freier zu sein schien. »Das kannst du nicht tun«, sagte Mitt und versuchte, nicht aufzulachen. »Sie würde es merken.«
»Ich habe eine Nachbildung angefertigt«, sagte Alk, »und versucht, es zuwege zu bringen, dass sie die Größe ebenso ändert wie das Original. Aber das ist mir nicht gelungen. Die Nachbildung ist ein einfacher Ring, aber sie sieht genauso aus wie das Original. Also, was sagst du dazu?«
»Ich verspreche es«, sagte Mitt. »Du wirst mich nicht mehr wiedererkennen, so gesetzestreu werde ich sein.«
»Das wäre etwas!« Mit einem schwachen Lächeln zog Alk einen Schlüssel aus einem Buch, wo er ebenfalls als Lesezeichen gedient hatte, und erhob sich, um die Vitrine aufzuschließen. Trübes Licht fiel durch den Raum, und Alks gewaltiger Schatten tauchte die halbe Bibliothek in Finsternis. »Denk immer daran«, sagte Alk, während er den Schlüssel drehte, »dass der Eine ein Interesse an den Vorgängen hat, und vergiss nicht, was du versprochen hast.«
Mitt blickte auf den gewaltigen Schatten und erschauerte. »Ich werde daran denken.«
Alk hob den Glasdeckel, nahm den Ring heraus und hielt ihn in die Mitte des Laternenstrahls. Der Ring war aus Gold und glatt; die einzige Zier bestand in dem großen Siegel, das aus einer Art rotem Stein geschnitten war und im Profil das abgehärmte Gesicht des Adons zeigte. Alks riesige und doch so geschickte Finger drehten ihn herum. »Am besten bewahrst ihn, indem du ihn ansteckst«, sagte er. »Gib mir deine Hand.«
Mitt streckte seine langen, knochigen Hände ins Licht. Alk versuchte, ihm den Ring auf den rechten Ringfinger zu streifen. Er blieb am obersten Fingerknöchel stecken. »Da hab ich an allen Fingern dicke Klumpen«, sagte Mitt.
»Dann streif ihn selber über.«
Mitt nahm den schweren Ring und versuchte ihn, während er noch immer kaum glauben konnte, dass Alk ihm den Ring wirklich überließ, auf einen Finger nach dem anderen zu stecken. Jedes Mal konnte er den Ring nur bis zum ersten Fingergelenk überstreifen. Der einzige Finger, auf den er – und auch das nur mit Mühe – passte, war der kleine Finger der linken Hand.
»Na, wenigstens rutscht er dir nicht ab«, sagte Alk. »Dann auf mit dir, gib ihn deiner Noreth. Und wenn sie von dir noch einmal etwas Ungesetzliches verlangt, dann sag nein. Hast du verstanden? Und ich stärke dir den Rücken.«
»Danke«, sagte Mitt. Es kam wahrhaft von Herzen.
Wie er zum Lager zurückfand, konnte er später nicht mehr genau sagen. Er kletterte wieder über die Mauer des Herrensitzes, das wusste er noch, denn am Rand des Steilhangs über dem Meer zu balancieren erforderte seine ganze Konzentration. Als er das hinter sich hatte, begann er das Geschehen zu verarbeiten. Die Dinge kamen und gingen. Er wusste hinterher noch, dass er Gräfin wiederfand, denn das Pferd versuchte, ihn wie gewohnt zu beißen. Dumpf erinnerte er sich, den glatten Weg zur Grünen Straße hinaufgeritten zu
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