Jones, Diana Wynne
der Tat notfalls verbergen konnte.
Da Mitt gar nicht vorhatte zu entkommen, nahm er nie an den Treffen teil, auf denen Siriol solche Dinge besprach. Doch schon nach der ersten Woche als Hobins Lehrjunge erkannte er, dass es im wahrsten Sinne des Wortes Jahre dauern würde, bis er genügend Schießpulver für Dideos Bombe gestohlen hätte. Hobin durfte gerade so viel Schießpulver herstellen, wie er brauchte, um die Büchsen auszuprobieren, die er angefertigt hatte. Harchads Waffenhüter suchten die Werkstatt einmal pro Woche auf und prüften, ob Hobin auch wirklich nicht mehr Schießpulver lagerte, als er unmittelbar benötigte. Manchmal führten sie auch Überraschungskontrollen durch, um ganz sicherzugehen. Sie wogen das Pulver und zählten die Büchsen. Hätten sie Material gefunden, das nicht ihr Siegel trug, so hätte Hobin nicht weiterarbeiten dürfen. Mitt waren sie ein großes Ärgernis, doch Hobin schien sich von ihnen nicht stören zu lassen. Er scherzte mit ihnen, als wären sie seine Freunde.
Schießpulver bestand, wie Mitt entdeckte, aus drei Substanzen, die Hobin sehr behutsam persönlich mischte. Um die Holzkohle machte Mitt sich keine Gedanken, denn Dideo konnte sie leicht beschaffen. Der Schwefel und der Salpeter aber waren, soweit Mitt wusste, nur dadurch zu erhalten, dass man sie stahl. Irgendwie mussten sie zwar hergestellt werden, aber Mitt fand nie heraus, wie. Die Waffenhüter lieferten sie in versiegelten Tüten, die Hobin sofort wegschloss. Es dauerte Monate, bevor er Mitt erlaubte, eine davon auch nur zu berühren. Mitt verbrachte seine Tage hauptsächlich mit langweiligen Arbeiten, wie dem Schmelzen von Blei, das er in einer Reihe kleiner, wurstartiger Formen zu kleinen Kugeln goss. Und zusehen; immerfort musste er sich etwas anschauen.
Das zweite große Hindernis, das Mitts Plänen im Weg stand, war Hobin selbst, denn Hobin war ein sorgfältiger und geduldiger Mann. Mitt vermutete, dass Hobin sein Rüstzeug auch ohne die Vorschriften und die Waffenhüter unter strengem Verschluss gehalten hätte. Hobin war ein gefragter Mann. Es gab kaum eine Stunde, in der Mitt und Hobin in der Werkstatt allein waren. Ständig brachten Soldaten oder Hauptleute ihm Büchsen, die nicht einwandfrei funktionierten. Andere Büchsenmacher kamen vorbei, um Hobin bei technischen Schwierigkeiten zu Rate zu ziehen. Mitt entdeckte, dass Hobin eine Erfindung gemacht hatte, die die Treffsicherheit einer Büchse entscheidend verbesserte. Er schnitt dazu eine spiralförmige Rille in den Lauf. Die Kugeln, die Mitt ständig zu gießen hatte, waren zugespitzt und nicht rund wie diejenigen, mit denen Harl im Koog auf Vögel schoss. Zweimal wurde Hobin sogar zu Harchad gerufen und um Rat gebeten. Als Mitt so weit aufgerückt war, dass er Büchsenkolben schnitzen und hin und wieder sogar ein wenig Pulver abwiegen durfte, hatte er begriffen, dass Hobin der beste Büchsenmacher von ganz Süd-Dalemark war. Das erfüllte Mitt mit Stolz, und er freute sich für seine Mutter. Gleichzeitig bedeutete es aber, dass er sich keinen Mann hätte aussuchen können, den zu bestehlen schwieriger war. Hobin war für seine Ehrbarkeit berühmt und wurde in der Gilde hoch geachtet. Lange Zeit wagte Mitt nichts anderes als vorzutäuschen, er sei ebenfalls ehrenwert und aufrichtig.
Hobin bemühte sich redlich, Mitt so viel beizubringen wie möglich, denn er wollte ihn zu einem, wie er sich ausdrückte, ›anständigen Bürger‹ machen. Mitt musste teure Kleidung tragen – die ihn im Winter gewiss besser wärmte, die er aber grundsätzlich verabscheute. Wenn er von der Arbeit in die Wohnung ging, musste er sich waschen und einmal die Woche vor dem Kaminfeuer von Kopf bis Fuß abschrubben, obwohl er davon überzeugt war, dass es einem Mann die Kraft raubte, wenn er sich wusch. Und jeden Abend holte Hobin ein Buch hervor, das Ein Lesebuch für die arme Schicht hieß und Mitt zu Tode langweilte. »Wenn du nicht zur Schule gehen willst, musst du eben zu Hause lernen«, sagte Hobin und zwang Mitt, jeden Abend nach dem Essen eine Seite daraus laut vorzulesen.
Mitt war zutiefst verwundert, dass er im ersten Lehrjahr nicht vor Langeweile starb. Ihm kam es vor, als erwachte er erst von dem Moment an zu neuem Leben, als er Dideo die ersten kleinen Päckchen mit Schwefel und Salpeter bringen konnte. Das war noch spannender, als für die Freien Holander Nachrichten zu überbringen. Unehrlich wie die Waage eines Fischhändlers war er zu Hobin, so
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