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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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die ihm die Libby Bier geschenkt hatte, ihn verriet.
    »Ja, Herr, den habe ich tatsächlich gesehen«, sagte sie. »Gerade eben erst. Ich habe ihm einen Karamellapfel angeboten, und er ist die Straße hinuntergegangen.«
    Die Soldaten nickten und kamen die Straße entlang auf Mitt zu.
    Da stand er mit einer bunten Nachbildung Libby Biers in der einen Hand, die andere ausgestreckt, als wolle er die geflochtenen Weizenhalme eines Ammets berühren, und konnte sich noch immer nicht rühren. Er verübelte es der Frau nicht, dass sie ihn verraten hatte, denn andere mussten gesehen haben, wie sie miteinander sprachen, und jedes Leugnen hätte sie in Gefahr gebracht. Früher, da war Mitt belustigt gewesen, wenn selbst respektable Bürger sich vor Harchads Soldaten fürchteten, und er hatte sie dafür sogar ein wenig verachtet. Wann immer er so etwas beobachtete, war ihm durch den Sinn gegangen, er müsse wahrhaftig die einzige freie Seele in ganz Holand sein. Doch damit war es nun wohl vorbei. Er wagte nicht, sich zu bewegen. Er musste an der Stelle stehen bleiben, bis die Soldaten ihn erblickten.
    Die Stiefelschritte stapften hinter ihm vorbei. Mitt sah und fühlte, dass aller Augen zwar zwischen ihm und den grünen Uniformen hin und her blickten, doch niemand sagte ein Wort. Die Schritte entfernten sich zum Ende der Straße und waren nicht mehr zu hören. Ringsum seufzten die Menschen und regten sich wieder. Jemand, der hinter Mitt stand und ihn vor den Augen der Soldaten verborgen haben musste, sagte: »Lauf, Junge. Verschwinde, solange es gut geht.« Ohne den Mann anzublicken, rannte Mitt los.
    So sind die Menschen in Holand!, dachte er, während er wieder um die Ecke bog und in Richtung Hafen rannte. Wo es geht, sind sie freundlich, aber man darf sich niemals darauf verlassen. Noch gestern hatte er sich über ihre Freundlichkeit lustig gemacht, heute aber erschien sie ihm in keiner Weise lachhaft. Mitt dachte an all die Jahre nutzlosen Pläneschmiedens, und ihm liefen die Tränen über die Wangen.
    Ich frage mich, ob mit mir irgendetwas nicht stimmt, dachte er. Das würde mich nicht überraschen. Er versuchte, sich die Tränen abzuwischen, und bemerkte, dass er sich mit etwas Knubbeligem durchs Gesicht fuhr. Er sah hin, und da war die kleine Libby Bier, die aus Kirschen und Hagebutten und winzigen Äpfeln bestand, alles aus Wachs, auf dem seine Tränen glänzten. »Hach!«, rief Mitt und stopfte sie sich ärgerlich in die scharlachrote Hosentasche. Weinen nutzte ihm nichts. Wenn er das nächste Mal Soldaten über den Weg lief, würden sie keinen Fehler begehen. Dann war er gefangen.
    Er gelangte in die Altstadt, in eine Straße mit Häusern, von denen die Farbe abblätterte und die aus den Vordertüren den Geruch der Armut ausdünsteten – den Geruch nach zu vielen Menschen, Schmutz, feuchtem Putz und billigem Essen. Alle Kinder, die in diesen Häusern wohnten, waren auf der Straße und spielten, ›Himmel und Hölle‹ oder Murmeln, und ein großes Fangenspiel war im Gange, bei dem gerannt und geschrien wurde. Und über den schrillen Kinderrufen hörte Mitt, dass wieder Soldaten herbeiliefen. Der Rhythmus ihres Stiefeltritts war unverkennbar.
    Mitt reagierte instinktiv. Ohne nachzudenken, rannte er am ›Himmel-und-Hölle‹-Spiel vorbei zu dem Murmelspiel und kauerte sich in den Kreis der kleineren Jungen. Diesen Kniff hatte er vor drei Jahren oft angewendet. Solange die Jungen nichts wirklich Verbotenes taten, störten sie sich gewöhnlich nicht daran. Doch während er sich eilig mit dem Handgelenk die Tränen abwischte, staunte Mitt über sich selbst. Was mache ich hier nur?, fragte er sich.
    Das Stiefelgetrampel ließ das schmutzige Pflaster, auf dem Mitt kauerte, beben, und ein grüner Block aus Soldaten schoss um die Ecke. Als sie die Kinder erblickten, mäßigte sich das Stiefeltrampeln zu einem langsamen Trab. Sie gingen nun absichtlich langsam und blickten sich sehr sorgfältig um.
    Das Geschrei und das Spielen brachen ab. Die Kinder standen in unregelmäßigen Reihen da und starrten die Soldaten an. Die kleinen Jungen um Mitt spielten nicht mehr. Sie warteten, dass die Soldaten weitergingen. Und Mitt hockte zwischen ihnen, von solcher Furcht erfüllt, dass er kaum etwas sah oder hörte. Er hatte nicht gewusst, dass man so große Angst haben konnte. Er wusste genau, wie sehr er sich von den anderen Kindern unterschied; das musste einfach jedem ins Auge springen! Er war anderthalbmal so groß wie der Rest,

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