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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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gründlich der andere Mörder ihm die Schau gestohlen hatte. Die Soldaten brüllten die Umstehenden an, sie sollten zurücktreten und nach Hause gehen. Andere Soldaten versuchten dem Rest der Prozession, der Hadds Leichnam trug, eine Schneise zu bahnen. Noch mehr Soldaten hasteten in das Haus mit den kreischenden Mädchen hinein und wieder heraus. Der Platz war angefüllt mit Gruppen von Menschen, die, ob in Uniform, in Festkostümen oder Feiertagskleidung, entschlossen hierhin und dorthin eilten. Das Durcheinander wurde immer schlimmer. Nur eins blieb aus, wie Mitt verbittert feststellte: Von dem Aufstand, der nach Ansicht der Freien Holander unmittelbar nach Hadds Tod ausbrechen sollte, war nicht das Geringste zu bemerken.
    Mitt zuckte die Schultern. Aus Mangel an einem besseren Plan schloss er sich, wie er es schon vor drei Jahren als Bote der Freien Holander gelernt hatte, einer hastenden Gruppe an, deren Mitglieder ihm völlig fremd waren. Mit dieser Gruppe eilte er die ganze Hafenmauer entlang zur anderen Seite des Hafens. Und wenn wir dort sind, rennen wir den ganzen Weg wieder zurück, wetten?, dachte er.
    Er behielt Recht. Ein Offizier hielt sie an. »Durchgang nur mit Genehmigung«, sagte er.
    Gehorsam machte Mitts Gruppe kehrt. »Dann muss Alham zum Fischmarkt gegangen sein«, sagte einer besorgt und gehetzt. Alles begann in die entgegengesetzte Richtung zu spurten.
    Mitt lief langsamer und ließ sie davoneilen. Von dort aus, wo er stand, sah er die Masten der kleineren Boote, die am Himmel zu sägen schienen, während schwer bewaffnete Soldaten, den Mörder jagend, von einem aufs andere sprangen. Selbst die Masten der großen Schiffe wiegten sich, wenn auch gemächlich, so viele Soldaten durchsuchten sie. Soldaten führten eine Gruppe von Seeleuten, die sie an Bord der Schiffe aufgegriffen hatten, an die Hafenmauer und reihten sie dort grob nebeneinander auf. Ihn kriegen sie, dachte Mitt neidisch.
    Noch mehr Leute näherten sich, eindeutig wichtige Männer. Mitt sah Offiziere mit goldschnurbesetzten Uniformen, wohlgenährte Männer in guter Kleidung und in ihrer Mitte einen großen, dünnen Mann mit einem blassen, schroffen Gesicht. Er trug sehr teure und sehr elegante Kleidung. Mitt entdeckte Pelz, den matten Glanz von Samt und blitzende Edelsteine, die der Fremde nur dort trug, wo sie nicht auffielen, denn er war so sehr an ihren Besitz gewöhnt, dass er sich keine weiteren Gedanken um ihren Wert machte. Mitt erkannte das blasse Gesicht mit der spitzen Nase, obwohl er seines Wissens den Mann selbst noch nie gesehen hatte. Er wirkte genauso übellaunig wie Hadd. Die spitze Nase glich derjenigen, unter der Mitt die Rassel hatte wirbeln lassen, wie ein Ei dem anderen. Die übrigen Züge erinnerten ihn an den Mann, der hinter Hadd gegangen war und Libby Bier getragen hatte, den Mann, der vorgesprungen war und die Bombe weggetreten hatte. Der Fremde konnte nur Harchad sein.
    Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Mitt und betrachtete den Mann interessiert. Trägt den Wert von sechs Bauernhöfen und den Verdienst von zehn Jahren Fischfang mit sich rum, und es ist ihm egal!
    »Ach, hör auf zu blöken, Kerl!«, fuhr Harchad den Mann mit den dicksten und meisten Goldschnüren an. »Diese Seeleute werden verhört, bis wir etwas erfahren. Was kümmert’s mich, wenn du sie alle umbringst? Und ich will auch den Bengel, der die Bombe geworfen hat. Er ist offensichtlich ein Komplize. Sobald du ihn fängst, bringst du ihn auf der Stelle zu mir!«
    Zum ersten Mal in seinem Leben durchfuhr ein kalter Stich Mitts Magen. Er wandte den Blick von Harchads Gesicht ab und wich vorsichtig zurück. Was würde er wohl für Augen machen, wenn er wüsste, dass ich hier gleich neben ihm stehe?, dachte er. Komplize soll ich sein? O lodernder Ammet! Ich glaube, jetzt ist alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte. Auf Zehenspitzen schlich Mitt eilig seitwärts. Er wollte sich der nächsten Gruppe hastender Bürger anschließen.
    Der goldschnurbesetzte Mann brüllte auf. »Da ist er ja! Das ist er!«
    »Wer?«
    »Der Bengel, der die Bombe geworfen hat!«
    Für einen winzigen Augenblick sah Mitt, wie alle ihn anstarrten. Harchads Gesicht stach in einer Weise aus der Menge hervor, dass Mitts Mund und Zunge auf der Stelle trocken wurden und ihm beinah ein Schrei entfuhr. Dieses Gesicht war genauso schrecklich wie die Albträume von Canden. Mitt wirbelte herum und rannte ohne nachzudenken los. Ein einziger Gedanke

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