Jones, Diana Wynne
aber erfolglos. Ich werde sehr traurig und tief von dir enttäuscht sein, Mitt. An meine Tür kannst du nicht mehr kommen.«
Obwohl Hobin lächelte, als er das sagte, begriff Mitt, dass er den Büchsenmacher vermutlich niemals wieder sehen würde. Und während er mit ihm den Garten durchquerte, fühlte er sich deswegen unerwartet elend. Er hatte Hobin nie so behandelt und ihn nie so gesehen, wie er es verdiente. Mitt wollte sich bei ihm entschuldigen, aber irgendwie schien ihm keine Zeit zu bleiben, um etwas zu sagen. Hobin hielt ihm schon die gefalteten Hände hin, um ihn über die Mauer zu heben. Mitt seufzte und stellte den Fuß hinein.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, wisperte Hobin. »Glück für Schiff und Küste.«
Bei all der Aufregung war Mitt völlig entfallen, dass er am Seefest Geburtstag hatte. Er wollte Hobin danken, doch der Büchsenmacher hob ihn schon an, und Mitt stieg hoch. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, um hastig zu Hobin hinunterzulächeln, dann war er schon auf der Mauerkrone und rutschte auf der anderen Seite hinunter.
Niemand schien ihn gesehen zu haben. Mitt machte sich auf den Weg in die tief gelegene Ecke Holands zwischen dem Damm, der zum Westbecken führte, und den Dünen. Es war nicht weit dorthin. Die Koogstraße lag etwas abseits im Westen, und Mitt sah bald, dass Hobin ihm einen guten Rat erteilt hatte, indem er ihm sagte, er sollte hier entlanggehen. Er begegnete nur einem Trupp Soldaten, vor dem er sich in einem Hauseingang versteckte. Während sie an ihm vorübergingen, befühlte er die kleine Handbüchse und dachte: Kommt mir lieber nicht zu nahe. Hobins Geburtstagsgeschenk mögt ihr bestimmt nicht.
Die Soldaten marschierten vorbei, ohne ihn zu entdecken, und Mitt ging weiter. Die Stadt verlor sich im Marschland. Hier standen vor allem aus Bootsteilen gebaute Hütten, doch kein Mensch ließ sich sehen. Mitt war ganz allein mit den Möwen und dem zwischen die rosa Sumpfpflanzen geworfenen Abfall. Er dankte Hobin im Stillen, dass er ihn an seine Jacke erinnert hatte, denn es wehte ein kühler Wind. Er kam vom Meer her, das über den Dünen den Horizont bildete und höher zu stehen schien als das Land. Vor ihm durchzog ein Netz aus brackigen Gräben die Dünen. Es bildete einen leuchtend grünen Streifen, den Mitt durchqueren musste, um zur Hafenmauer des Westbeckens zu gelangen. Die Idee schmeckte ihm noch immer nicht besonders. Hinter der schwarzen Linie jener Mauer ragten jedoch Masten hervor – mehrere hundert Ausflugsboote, große und kleine, warteten darauf, dass Mitt sich eins aussuchte.
Guter alter Hobin!, dachte Mitt und durchquerte schmatzenden Schrittes das rosa Marschland.
Schließlich erreichte er die Gräben. Sie waren graugrün, schlammig und etwas zu breit, um hinüberzuspringen. Sie durchzogen das matschige grüne Gras vor der Mauer mit einem Muster, das so kompliziert war wie die Dessins, die Milda früher in die für den Palast bestimmten Vorhänge gestickt hatte. Vor langer Zeit war hier einmal eine Salzmarsch gewesen, heute endeten hier die Abwasserkanäle des Palastes. Da die Ebbe einsetzte, liefen sie nur träge ab; Blasen stiegen empor und schlugen Schaum auf der Oberfläche, auf der eine fußdicke Schicht aus grauem Schlamm trieb.
»Igitt!«, sagte Mitt und blickte mit einer gewissen Verzweiflung zum Damm hinüber. Ob er sich besser auf diesen Weg wagen sollte? Dort gingen Menschen. Durch die Bäume konnte er sehen, wie sie sich bewegten. Erneut überfiel ihn jene schreckliche, ungewohnte Angst. Er fürchtete sich zu sehr, um überhaupt zu einer Bewegung fähig zu sein. Ich warte lieber, bis es dunkel ist, dachte Mitt.
Wer immer die Leute waren, sie bewegten sich ohne Unterlass zwischen den Bäumen hin und her. Mit zitternden Händen hob er einen alten Zaunpfahl auf und stocherte damit im nächsten Graben herum. Das eklige Wasser war nur knietief.
Ich versuch es, dachte Mitt. Er ließ sich in den sauren, salzigen Schlamm gleiten. »Pfui! Igittigitt! Was für ein ekliger Schlabber!«, sagte er, aber er watete hindurch und kletterte auf der anderen Seite hinaus. »Vorsicht mit der Büchse«, warnte er sich. Einige Schritte weiter kam der nächste Graben. »Gosse Numero zwei«, sagte Mitt und ließ sich schaudernd hinein. »Und da«, sagte er, als er hinauskletterte, »kommt auch schon die nächste.«
Aus diesem Graben kämpfte er sich gerade heraus, als er Rufe auf dem Damm hörte. Zwischen den Bäumen kamen Gestalten hervor und
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