Jones, Diana Wynne
verraten, was dich zu diesem Freiheitskämpfer-Unsinn verleitet hat, Mitt. Liegt es an deinem Vater?«
»Ich glaube schon«, gab Mitt zu. Ihm kam es vor, als würde er sich zu einem einzigen Hautflecken bekennen, obwohl er doch Masern hatte, aber trotzdem war es die beste Antwort, die er geben konnte. Wie um sein Versagen einzugestehen, legte er das Brecheisen behutsam fort.
»Dachte ich es mir doch.« Hobin schob die Ziegel wieder an Ort und Stelle und klappte das Gestell zurück. Vorsichtig wandte er sich um und hielt eine eigenartige, dicke und kurze Büchse in den Händen. »Und ich hatte gehofft, du würdest erwachsen werden, Mitt«, sagte er. »Du musst dein eigenes Leben führen.« Sanft drehte er an dem ungewohnt dicken Lauf. Solch eine Waffe hatte Mitt noch nie gesehen. »Hast du je darüber nachgedacht«, fragte Hobin, »was für ein Mann das war, der überhaupt keine Rücksicht auf dich und Milda genommen hat?«
Die Frage war so ungehörig, dass Mitt sie einfach nicht beantworten konnte. »Was ist das für eine Büchse?«, fragte er.
»Die hier trug ich in der Tasche, als du deinen Knallkörper platziert hast«, sagte Hobin. »Falls es Ärger geben sollte. Sie ist noch geladen, weil ich sie dir geben wollte. Ich kann dir aber nur die sechs Schüsse lassen, die in ihr stecken, also geh sparsam damit um. Die Waffenhüter zu betrügen ist für mich nicht viel leichter und ungefährlicher als für dich.«
»Sechs Schüsse?«, fragte Mitt. »Und wie füllt man die Zündladung nach?«
»Gar nicht. Hast du dich nie gefragt, was ich mit diesen Zündhütchen angefangen habe, die ich dich herstellen ließ? Sie sind hier drin, siehst du, auf dem Ende der Patronen, und der Hammer zündet sie. Jeder Schuss hat einen eigenen Lauf. Du drehst auf den nächsten, nachdem du gefeuert hast. Sie hat eine geringe Reichweite, sonst würde ich sie dir nicht geben. Sie soll dich nicht in Schwierigkeiten bringen, sondern dir aus Schwierigkeiten heraushelfen. Wenn Milda und die Mädchen nicht wären, hätte ich dich mitgenommen und Stein und Bein geschworen, dass du die ganze Zeit bei mir gewesen wärst. Das habe ich früher immer für Canden getan. Aber ich muss auch an sie denken. Da, nimm.«
Er legte Mitt die Waffe in die Hände. Wie alle Büchsen Hobins war sie großartig ausbalanciert. Mitt spürte das Gewicht des rundlichen, sechslöcherigen Laufes kaum. »Wozu hast du sie gebaut?«
»Ein Experiment«, sagte Hobin. »Und weil es eines Tages hier im Süden einen echten Aufstand geben wird. Ewig lassen sich die Menschen nicht von den Grafen unterdrücken. Darauf bereite ich mich vor. Ich hoffe, du bist geduldig und ebenfalls bereit, wenn es so weit ist. Aber nun beeil dich. Auf der Treppe findest du deine alte Seemannsjacke und meinen Gürtel, in dem du die Büchse tragen kannst.«
Mitt ging zur Tür des Treppenhauses. Tatsächlich lagen dort seine alte dicke Jacke und der Gürtel. »Du … du hattest alles vorbereitet«, sagte er beklommen.
»Was hast du erwartet?«, fragte Hobin. »Manchmal glaube ich, ich wäre ein viel besserer Freiheitskämpfer als ihr alle zusammen. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt. Einen guten Rat will ich dir noch geben. Geh nicht in den Koog.«
Mitt schnallte sich gerade den Gürtel um und hielt mitten in der Bewegung inne. »Hä?«
»Hä?«, wiederholte Hobin. »Ihr seid doch alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Ja, tu das Gleiche wie die anderen Flüchtlinge. Benutze doch einmal deinen Kopf, Mitt. Man erwartet doch, dass du in den Koog fliehst. Wenn du das machst, dann haben sie dich morgen Mittag gefangen. Nein, folge lieber der Küste und sieh zu, dass du in Hoe oder in Kleinkoog ein Boot bekommst. Es könnte sich auch lohnen, einen Blick ins Westbecken zu werfen.«
»Dann muss ich aber durch die dreckigen Gräben!«, rief Mitt.
»Vom Schlamm ist noch keiner gestorben, und das Westbecken ist am nächsten. Ich weiß aber nicht, wie streng sie ihre Boote dort bewachen lassen. Sieh es dir am besten selbst an. Und wenn du in Canderack oder Weymoor in eine Ortschaft kommst, wo es einen Büchsenmacher gibt, dann geh zu ihm und sag, dass ich dich geschickt habe. Sie kennen mich alle. Komm«, sagte er, »ich helfe dir über die Mauer.«
Mitt schob sich die Büchse in den Gürtel und zog die Jacke an. »Aber was sagst du ihnen, wenn sie kommen – den Spitzeln, meine ich?«
»Erst mal nagle ich dieses Fenster zu«, antwortete Hobin. »Dann hast du vielleicht versucht einzubrechen,
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