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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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Richtung Bibliothek zu finden wären. Den Leuten, die von den Küchen aus dorthin eilten, konnten sie problemlos ausweichen, und als Hildy und Ynen die Küchen erreichten, war dort kaum noch jemand. Sie hörten jemanden pfeifend mit Geschirr klappern, aber die Geräusche hallten in der Leere wider. Ynen riskierte, eine Tür zu öffnen, die zu einer Speisekammer führte.
    »Sieh dir das an!«, wisperte er. Die Speisekammer war vom Boden bis zur Decke angefüllt mit Backwerk – glasierten Kuchen, goldbraunen Kuchen, lockeren Kuchen, Obsttörtchen, Käsekuchen, Fleischpasteten, Wildpasteten, Geflügelpasteten und Kuchen mit Blumen und Vögeln aus Zuckerguss. »Gib mir ein paar von diesen Säcken«, bat Ynen. »Es soll aussehen, als hätten wir genug Essen für eine ganze Woche mitgenommen.«
    Sie zogen die Speisekammertür hinter sich ins Schloss und stopften im Halbdunkel das Backwerk in die Säcke, das ihnen als Erstes in die Hände fiel. Währenddessen hörten sie vor der Tür wiederholt Schritte in beide Richtungen vorbeihasten. Hildy und Ynen warteten, dass wer auch immer es war fortging, und nutzten die Gelegenheit, um eine Fleischpastete zu essen.
    »Jetzt scheint es ruhig zu sein«, wisperte Hildy.
    Sie wischten sich die Soße und die Krümel vom Mund und schlichen auf Zehenspitzen hinaus. Der Kücheneingang befand sich direkt vor ihnen. Die Schritte hatte Onkel Harchad gemacht, und er hatte ihnen einen Gefallen erwiesen. Die Soldaten, die den Eingang hätten bewachen sollen, standen nun steif in dem Gang vor der Tür und hörten gemeinsam mit den Küchenjungen Harchad zu.
    »Und ihr seid völlig sicher, dass keiner von beiden hier vorbeigekommen ist?«, hörten sie Harchad fragen.
    »Ganz sicher, Herr.«
    »Wenn ihr sie seht, dann bringt ihr sie zu mir, habt ihr verstanden, und nicht zu Graf Harl«, sagte Onkel Harchad.
    Niemand sah, wie Ynen und Hildy sich auf Zehenspitzen zum Eingang schlichen, die kleine Seitentür öffneten, die in das große Tor eingelassen war, und mit ihren Säcken hinausschlüpften.
     

10.
    Mitt holte ein letztes Mal tief Luft, spurtete über die Gasse und rannte die Mauer hinauf. Wenn man kräftig, entschlossen und nicht allzu schwer ist, kommt man auf diese Weise an einer Mauer ziemlich weit nach oben. Füßescharrend und ohne zu atmen, suchte er mit den Fingern über seinem Kopf nach einem Halt an den glatten Ziegeln. Mit der rechten Hand konnte er sich in einem bröckeligen Spalt festklammern, und mit dem anderen Arm griff er über die Mauerkrone. Dann zog er sich hinüber, rutschte schabend an der Mauer hinab und glitt in seinem eigenen Garten zu Boden. Er befürchtete, zu viel Lärm gemacht zu haben.
    Es war eigenartig. Der Garten kam ihm schon ganz fremd vor. Mitt war früher nie aufgefallen, wie klein und schäbig er war, wie pockennarbig die Zielscheibe, wie verrostet die Wäschemangel. Während er sich über die schlüpfrige Erde stahl, konnte er kaum glauben, dass er, so wie jedes Mal, das Werkstattfenster heben und die Hintertür entriegeln würde. Doch wie immer schob er den Arm hinein, ertastete den kalten Metallriegel und schob ihn mit den Fingerspitzen hoch. Er zog die Türe auf, sie quietschte, und Mitt glitt an ihr vorbei in die rußverschmutzte, halbdunkle Werkstatt.
    Ich darf nicht vergessen, das Fenster einzuschlagen, dachte er. Aber das ist laut. Also tu ich’s zuletzt. Auf Zehenspitzen durchquerte er den Raum und nahm ein Brecheisen zur Hand. Dann untersuchte er das Gestell mit den fertigen Büchsen, das verschlossen war. Am Schloss hing das Holander Siegel herab. Er wandte sich den Kisten mit den Pulverbestandteilen zu. Auch sie waren verschlossen und versiegelt. Wäre Hobin doch nicht so sorgfältig gewesen. Mitt musste alles aufbrechen, sich das Pulver selbst mischen und in einige Patronen füllen.
    Hinter sich hörte er eine leise, aber zielstrebige Bewegung. Das Herz klopfte Mitt bis zum Hals, und seine Zunge erschien ihm mit einem Mal viel zu groß für seinen Mund. Er wirbelte herum, das Brecheisen in der plötzlich schweißfeuchten Hand. Hobin entriegelte gerade die Tür vor der Treppe, die nach oben führte.
    »Bist du das, Hobin?«, fragte Mitt matt. Kalte Verzweiflung überfiel ihn. Alles ging schief. Hobin hätte noch in Hochmühl sein sollen, doch stattdessen war er hier und trug seine guten Kleider, als wäre er an diesem Tag gar nicht wandern gewesen.
    Hobin nickte. »Ich hatte gehofft, dass du hierher zurückkommst. Daran sehe ich, dass du

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