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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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sie das Tor erreichten, bevor die Wächter zurückkehrten. Es kam jedoch kein einziger Soldat. Sie erreichten die hohen, pechschwarz gestrichenen Torflügeln, bevor sie die Soldaten überhaupt sahen. Es waren etwa zwanzig Männer, die links vom Damm das Marschland durchkämmten. Sie sprangen zwischen den stinkenden Gräben umher, und manch einer rutschte dabei aus. Jeden einzelnen Graben sahen sie sich an und riefen einander zu, wer den nächsten untersuchen sollte. Einige hielten lange Stangen und stocherten damit im Schlamm herum.
    »Die suchen jemanden«, sagte Ynen sehr erleichtert. »Ich wette, sie suchen den Mörder.«
    »Und ich würde sagen, sie haben ihn erschossen«, stimmte Hildy ihm zu. »Was haben wir für ein Glück, Ynen! Sie haben das Tor offen gelassen. Wahrscheinlich haben sie auch das Becken durchsucht.« Ihnen schien nicht in den Sinn zu kommen, dass sie ihr Glück nur dem traurigen Schicksal eines anderen zu verdanken hatten.
    Mitt kroch an dem Pfeiler empor. Ich komme mir vor wie eine Riesenschnecke, dachte er. Widerlich! Schließlich rollte er sich auf die Mauerkrone. Ich hinterlasse sogar eine Schleimspur, dachte er, als er den breiten Schmierstreifen aus graugrünem Schlamm hinter sich sah. Unter ihm stocherten die Soldaten in den Gräben herum. Sie waren überzeugt, ihn erschossen zu haben, und suchten nach seiner Leiche. Mitt rollte sich von der Mauer, bevor einer von ihnen zufällig aufblickte und einen Grund entdeckte, seine Überzeugung noch einmal zu überdenken, und kam mit einem dumpfen Schlag auf dem Bootssteg dahinter auf. Keuchend blieb er einen Moment lang auf die Ellbogen gestützt liegen. Er war durchnässt und fast zu Tode erschöpft. Welches dieser vielen kleinen Boote sollte er nehmen? Er musste es ohne Mühe allein steuern können. Aus diesem Grund mied er das schöne Boot, das nur zehn Schritte von ihm entfernt vertäut war. »Du bist zu groß, meine Schöne«, sagte er. »Und vor deinesgleichen pflegt Siriol auszuspucken.«
    Er schaute sich die übrigen Boote an. Einige waren zu groß, andere zu fassartig, einige nur Nussschalen. Alle protzten sie mit Prachtanstrichen. Mitt redete sich zwar ein, dass er ihre Vorzüge abwäge, aber in Wirklichkeit verglich er sie nur mit dem wunderschönen blauen Boot zehn Schritte entfernt und fand, dass sie dagegen einfach nicht bestehen konnten. Er hatte keine Zeit, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Im Marschland brüllte ein Soldat auf. Mitt schoss auf Händen und Füßen vor wie ein Äffchen. Bevor er nachdenken konnte, hatte er sich über das Kabinendach der blauen Schönheit gerollt. Sie hatte sogar eine versenkte Plicht für den Rudergänger; typisch Ausflugsboot, dachte Mitt. Er ließ sich hineinfallen. Zumindest verbarg es ihn vor den Soldaten.
    Aber nicht lange. Viel früher, als Mitt es für möglich gehalten hätte, trappelten Schritte über den Bootssteg. Er riss die Doppeltür zur Kajüte auf und warf sich hinein. Wenn er es nicht so eilig gehabt hätte, wäre er auf der Stelle erstarrt und hätte mit großen Augen um sich geblickt. Wer hätte geahnt, dass es an Bord eines Bootes so behaglich sein konnte: blaue Decken, blauer Plüsch, ein Holzkohleofen zum Kochen, weiße und goldene Farbe, alles mit Schnitzereien verziert und geputzt, bis es mehr nach einem schwimmenden Palast als nach einem Boot aussah.
    Hab ich nicht immer gesagt, dass das Beste für mich immer noch nicht gut genug ist?, dachte Mitt, während er auf Zehenspitzen ans andere Ende der Kajüte ging. Er hinterließ dabei eine grüne Schleimspur. Der Name des Bootes war auf alle Decken gestickt. Mitt konnte nicht widerstehen, er musste den Namen entziffern, unter dem all dieser Luxus in See ging. Straße des Windes, las er. N á, das ist doch ein guter Name. Passt gut zu mir.
    Im nächsten Moment neigte und wiegte sich die Straße des Windes unter den Füßen von Menschen. »Ist sie nicht schön!«, sagte Ynen und warf seinen Sack in einen Deckskasten. Eilig und vor Panik schwitzend, öffnete Mitt einen mit Goldfarbe bemalten Verschlag und stand vor einem Eimer mit einem vergoldeten Sitz. Anscheinend war der Eimer mit Rosen bemalt.
    Lodernder Ammet!, dachte Mitt. Auf diesem Schiff ist wirklich alles vom Feinsten! Mit schleimigen, bebenden Fingern schloss er den Verschlag von innen und schob den Riegel aus poliertem Messing vor, dann lehnte er sich gegen die golden bemalte Wand und lauschte auf die Schritte, die über ihm hin und her eilten, und die

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