Jones, Diana Wynne
oben auf den nächsten Wellenberg, wo sie sich erneut quer legte.
Und so ging es weiter. Mitt dachte, sie gingen von einem jähen Tod zum nächsten, dass er schließlich mit dem Zählen nicht mehr nachkam. Die Welt war in schäumendem Aufruhr. Von allen Seiten schlug und stieß es gegen die Straße des Windes, bis sie in allen Spanten bebte. Das Wasser prallte gegen Mitt und Hildy, bis sie es kaum noch spürten. Wasser zischte in die Kajüte und schwappte um Ynen herum. Die Persenning rutschte in der Plicht hin und her, zusammengedrückt und vergessen, und manchmal geriet sie in den Weg, doch weder Mitt noch Hildy hatten Zeit, sie beiseite zu räumen. Hildy achtete nur auf die Leine, die ihr entweder fast aus den Fingern gerissen wurde oder kaum straff zu halten war; Mitts Aufmerksamkeit galt ganz dem Kampf mit der Pinne, dem todessehnsüchtigen Gieren der Straße des Windes und den Gesten des hellhaarigen Mannes, wenn der Wind mit Krachen und Brüllen zuschlug.
Hildy und er gewöhnten sich bald an seinen Anblick, wie er dort am Bug stand, entweder grau vor dem strömenden Regen oder weißer vor der schwarzen Wassermasse einer Welle. Sie waren froh, ihn dort zu sehen. Die Pferde aber beunruhigten sie beide. Es waren schöne graue, galoppierende Pferde, die unter fliegenden Mähnen den Nacken beugten, ausgelassen die Wellen hochpreschten und auf den Schaumkronen auf die Hinterhand stiegen. Mitt und Hildy waren zu beschäftigt, um sie sich eingehend anzuschauen, doch aus den Augenwinkeln sahen sie beide die ganze Zeit über die Rösser. Trotzdem war ihnen klar, dass sie sich Mann und Pferde nur einbildeten. Die Matrosen erzählten, dass Pferde oft um untergehende Schiffe spielten und über den bevorstehenden Tod der Menschen an Bord frohlockten. Mitt und Hildy hätten einiges darum gegeben, die Pferde nicht zu sehen. Sie hielten die Augen nach vorn auf die nächste Gefahr gerichtet. Dennoch galoppierten Pferde beiderseits der Straße des Windes, wenngleich voraus auch nichts zu sehen war außer zischendem Schaum und schaudernden Wellen und gelegentlich dem Mann mit dem flatternden weißen Haar.
Der tut uns wenigstens nichts, so viel ist sicher!, dachte Mitt.
In der Kajüte wuchtete sich Ynen auf die Ellbogen und legte eine Hand auf die dicke, empfindliche Beule an seinem Kopf. Er hätte schwören können, dass jemand ihn geschüttelt und ihm befohlen habe aufzustehen, aber er war ganz allein zwischen den voll gesogenen Decken. »Uff!«, machte er. Er spürte, wie die Straße des Windes gierte und torkelte, und er fragte sich, was wohl ihre schrecklich träge Bewegung verursachen mochte.
Die Kajütentür schlug auf, knallte gegen den Herd, und eine Sturzwelle schmutzigen Wassers rauschte über Ynen hinweg. Augenblicklich war er bis auf die Haut durchnässt. Er starrte nach oben und sah zwei Paare schlitternder Füße, und noch mehr Wasser strömte nach. Ihr Götter!, erschrak er. Wie viel Wasser machen wir denn! Noch während er dachte, rappelte er sich auf und kletterte nach oben in die Plicht.
Als Erstes sah er den hübschen Kopf eines reinrassigen Grauschimmels, der zwischen Regen und Gischt am Boot entlanggaloppierte. Augenblicklich war er wieder verschwunden, als galoppierte er schneller, als die Straße des Windes fahren konnte. Ynen wurde vom Regen getroffen und keuchte auf. Der Regen peitschte hernieder. Er konnte kaum die zusammengekauerten und windgepeitschten Gestalten von Mitt und Hildy ausmachen, ganz zu schweigen die Frau, die hinter ihnen am Heck kniete. Nicht mehr vermochte er zu erkennen, als dass sie langes, rotgoldenes Haar hatte, das im Wind flatterte und wirbelte. Er sah, dass sie Hildy an der Segelleine zur Hand ging – oder zumindest glaubte er das, bis er bemerkte, dass sie immer, wenn Mitt seine Füße gegen die Ruderpinne stemmte und schob, ihm drücken half. Der Regen verwirrte Ynen wohl sehr. Trotzdem sah er, dass die Frau auf den Deckskasten wies, in dem die Pumpe war.
»Ja, natürlich«, sagte er zu ihr. Noch immer war er benommen, aber er klappte den Deckel hoch, zog die Persenning von den Speigatts und begann zu pumpen.
Der Sturm tobte noch eine weitere Stunde, vielleicht sogar länger. Ynen pumpte, ohne zu hoffen, das Boot je leeren zu können. Aber wenn er gerade genug Wasser herauspumpte, um zu verhindern, dass die Straße des Windes voll lief? Manchmal wünschte er sich, auf die verdrießliche Weise, wie man sie aus Träumen kennt, die Frau am Heck würde auch ihm helfen,
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