Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
Vom Netzwerk:
schlug das Wasser Wellen.
    »He! Was machst du da?«, fragte Mitt und sprang auf.
    »Ich will sehen, wer es ist. Wenn es ein Boot ist, muss es auch im Sturm gewesen sein«, erklärte Ynen, und zum ersten Mal seit über einem Tag bedachte er Mitt mit einem offenen, unfreundlichen Blick. Hildy, die neben ihm stand, blickte Mitt genauso an.
    Mitt war verletzt und wurde zugleich wütend. »Ihr braucht mich gar nicht so anzusehen! Ich möchte nicht entdeckt und gefangen werden, versteht ihr?«
    »Wenn jemand an Bord ist, kann er dir doch nichts tun«, entgegnete Ynen. »Ich muss schauen, was dort los ist. So verlangt es das Gesetz der See.«
    »Oder hat man dich dazu erzogen, überhaupt kein Gesetz zu befolgen?«, fragte Hildy.
    Mitt war der Meinung, dass Hildy diese Frage wirklich nicht hätte stellen zu brauchen. Er kannte den Brauch besser als sie. »Redet nicht solch einen Blödsinn!«, rief er. »Geht es denn nicht in eure Schädel rein, dass wir hier keinen Segelausflug unternehmen?« Als Hildy erbleichte und schon Luft holte, um ihm eine geharnischte Antwort zu geben, fügte Mitt hinzu: »Aber bitte – tut, was ihr wollt. Kümmert euch nicht um mich. Ich bin schließlich nur der Passagier.« Er konnte nun sehen, dass es tatsächlich ein Boot war, aber nur ein sehr kleines. Ja, es wirkte wie die Jolle eines großen Schiffes, die sich im Sturm losgerissen hatte. Ungefährlich, dachte Mitt.
    Als die Straße des Windes sich auf schön gekräuselter See näherte, sahen sie, dass das Boot doch größer war als eine Jolle. Es war etwa ein Drittel so groß wie die Straße des Windes und hatte einen Mast, von dem noch letzte Leinenreste und einige Segelfetzen flatterten; an Bord zeigte sich keine Spur von Leben.
    »Ja, es war im Sturm«, sagte Hildy leise.
    »Ich gehe längsseits«, sagte Ynen.
    Mitt stand auf, ein Angebot, ihm diese Arbeit abzunehmen. Ynen tat jedoch so, als sähe er ihn nicht. Die Straße des Windes gehörte ihm. Mitt setzte sich mürrisch an den Mast. Ynen traute ihm also nicht zu, geradewegs an dem Boot vorbeizusegeln? Na schön. Mitt grinste, als Ynen zu früh beidrehte und das kleine Boot mit einem tüchtigen Rumms rammte. Ynen zuckte zusammen, denn der Anstrich der Straße des Windes musste Schaden genommen haben. Das kleinere Boot bewegte sich nur auf und ab. Es war salzverkrustet, beschädigt und in Seetang gehüllt. Wenn es diesen Sturm überstanden hat, dachte Mitt, dann ist es nicht so leicht zu versenken. Bis auf eine zusammengeknüllte Persenning am Boden war es leer. Ynen hatte die Straße des Windes ganz umsonst zerschrammt, wie es aussah.
    Hildy las den Namen, der auf das Heck des herrenlosen Bootes gemalt war. »Siebenfach II.«
    »Ist ja seltsam.« Mitt kam zu ihr, um es sich mit eigenen Augen anzusehen. »Das ist ein großes Kauffahrteischiff aus Holand. Am Tag des Seefests lag sie im Hafen vor Anker. Was sucht denn ihr Beiboot hier unter Segeln?«
    »Sie muss später ausgelaufen und auch in den Sturm geraten sein«, meinte Ynen. »Ich nehme an, ihre Besatzung ist… – ach du meine Güte!«
    Die zerknautschte Persenning krümmte sich und machte einen Buckel. Ein nasser, ungekämmter Kopf schob sich hervor. Anscheinend hatte sein Besitzer sich sehr wacklig auf Hände und Knie erhoben. Eine heisere, leidende Stimme rief: »Nehmt uns an Bord, habt Mitleid!«
    Damit hatte niemand gerechnet. Hildy und Ynen waren genauso entsetzt wie Mitt. Tatsächlich war es Mitt, der sich als Erster zusammenriss und sagte: »Dann rauf mit euch. Wie viele seid ihr denn?«
    »Nur ich, junger Herr«, sagte der Mann, dann schien er wieder zusammenzubrechen und aufs Gesicht zu fallen.
    Mitt tauschte einen skeptischen und zugleich schicksalsergebenen Blick mit Ynen und schwang sich in das schwankende Beiboot. Im schlimmsten Fall war es jemand, der ihn kannte. Er zerrte das schwere geölte Segeltuch zurück. Darunter entdeckte er mehrere Zoll Wasser, darin wiederum ausgestreckt einen durchnässten, unrasierten Mann in Matrosenkleidung. Der Fremde war breit und kräftig gebaut – genau die Sorte Mann, der man es zutraut, einen Sturm zu überleben, dachte Mitt, während er ihm unter die Arme griff und versuchte, ihn hochzuhieven. Mitt wusste nicht, wer der Mann war, doch als er ihn auf die Knie wuchtete, kam er ihm entfernt bekannt vor. Er musste den Mann schon einmal am Hafen gesehen haben. Eins war jedenfalls sicher: Der Fremde war erheblich besser genährt als die meisten Holander. Mitt gelang es einfach

Weitere Kostenlose Bücher