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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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was zu tun war. Er watete durch die voll gesogenen Decken auf dem Kajütenboden und holte die Arrisflasche. Er brachte Hildy und Ynen dazu, je einen kräftigen Schluck zu nehmen, dann trank er selber davon. Sie alle standen in der Plicht, machten: »Bäh! Pfui!«, und zogen schreckliche Grimassen.
    »Schmeckt furchtbar, was?«, meinte Mitt. »Aber wartet nur ab. Gleich gibt es tief in euch einen Stoß, und in euren Ohren wird es warm.«
    Der Stoß kam. Sie fühlten sich dadurch so viel besser, dass sie die Pasteten hervorholten und sich gierig darauf stürzten. Beim Essen zitterten ihnen die Hände; ihre Finger waren weiß, schrumplig und voller Blasen, auch bei Mitt, der in Hobins Werkstatt wieder weichere Haut bekommen hatte.
    »Ich kann nicht die ganze Nacht hindurch fahren«, sagte Hildy müde.
    »Wir haben einen Treibanker«, sagte Ynen und blickte Mitt an, um zu sehen, was er davon hielt.
    Auch Mitt war hundemüde. Er wusste aber, dass Herbststürme manchmal dicht hintereinander aufkamen. Er konnte nicht sagen, was sie tun sollten, und schwieg.
    »Das weiß ich«, sagte Hildy und kroch nach vorn zum Mast. Während Ynen neben ihm nickte und gähnte, starrte er ihre nackten Fußsohlen an und hörte sie sagen: »Ach bitte, Alter Ammet, würdest du heute Nacht auf unser Boot Acht geben? Und wenn es noch einen Sturm geben sollte, kannst du dann Mitt wecken und es ihm sagen?«
    »So ist’s recht! Immer ich!«, rief Mitt. »Mitt den Nimmermüden, so nennen mich alle. Glaubst du etwa, dass ich niemals schlafen muss?« Er wandte sich an die Figur Libby Biers. »Entschuldige, meine Dame. Sie möchte, dass du mich weckst, wenn es Schwierigkeiten gibt. Sie glaubt, dass ich aus Wachs gemacht bin wie du. Wenn ich also gebraucht werde und du mich anstoßen musst, würdest du sie dann auch wecken? Sie kann neben mir sitzen und mich immer wieder am Arris nippen lassen.«
    In dieser Nacht wurde es eng in der Kajüte. Keiner brauchte eine Decke, deshalb hingen sie alle, die sie hatten, zum Trocknen in die Plicht. Wie die Murmeltiere schliefen sie, auch Hildy, die sich mit der kleinen Koje im vorderen Teil der Kajüte begnügen musste, die man für sie gebaut hatte, als sie neun war. Falls der Alte Ammet oder Libby Bier in der Nacht nach Mitt gerufen hatten, so hörte er sie nicht. Doch am Morgen schien alles in bester Ordnung. Die See war glatt, und die Sonne zeichnete einen flüssigen gelben Weg vor die sanft dahintreibende Straße des Windes.
    »Ich glaube, ich werde nie wieder Kuchen oder Pasteten essen«, sagte Hildy.
    »Du solltest sie miteinander abwechseln«, sagte Mitt zu ihr. »Du weißt schon – hier einen Kirschkuchen, dann eine Filetpastete. Abwechslung ist wichtig.«
    »Du schummelst«, sagte Ynen. »Und die Kuchen und Pasteten sind ohnehin miteinander verquirlt. Hier, Hildy, versuch Austern und Apfel. Es… na, es schmeckt unvergleichlich.«
    Nach diesem entschieden eigenartigen Frühstück säuberten sie die Straße des Windes, und dabei wurde ihnen sehr warm. Die Hitze verriet ihnen, dass sie noch nicht sehr weit nach Norden gekommen sein konnten. Keiner von ihnen hatte auch nur die leiseste Vorstellung, wo sie waren. Weil kein Land in Sicht war, waren alle Karten, die Ynen besaß, völlig nutzlos. Sie wussten nur eins sicher: dass sie aufs offene Meer hinausgetrieben waren, wahrscheinlich eher nach Westen als nach Norden.
    »Ich steure nach Norden und Osten«, sagte Ynen. »Sobald wir Land sehen, halten wir es am Horizont, bis wir etwas sehen, was wir erkennen. Tulfa sollte leicht zu finden sein. Und wir wissen, dass die Insel zum Norden gehört. Also, setzen wir die Segel.«
    Und kurz darauf segelte die Straße des Windes in einem leichten Wind weiter. Untätig saß Mitt oberhalb des Alten Ammet und lauschte auf das Wasser, das an den Seiten vorbeirauschte. Er bewunderte, wie der Bug das Meer säuberlich entzwei teilte. Bei gutem Wetter ist die Straße des Windes wirklich ein schönes Schiff, dachte er. Er konnte kaum noch glauben, dass sie erst gestern ihr Schlimmstes getan hatte, um sie alle ins Seemannsgrab zu bringen.
    »Ich sehe was an Steuerbord!«, rief Ynen. »Könnt ihr sehen, was es ist?«
    Mitt suchte erst zu weit, dann zu nah, und endlich entdeckte er etwas Kleines, Dunkles, das auf den Wellen tanzte und gut eine Viertelmeile entfernt war. »Könnte ein Boot sein!«, rief er zurück.
    »Das dachte ich auch«, antwortete Ynen und legte die Ruderpinne über. Am schnittigen Bug der Straße des Windes

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