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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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darunter leiden.
    Jorina vergrub das Gesicht in den Händen. Sie begriff in diesem Moment, dass sie nicht zur Quelle zurückgehen würde, obwohl sie alles dort gelassen hatte, was für sie von Wert gewesen wäre. Das Messer, die Vorräte, jenen wundervollen grünen Jade-Stern und – ihr Herz.
    »Der Himmel möge dich beschützen«, flüsterte sie vor sich hin.
    Sie nahm nicht an, dass er sich Sorgen um sie machte oder sie gar suchte. Er würde die Botschaft verstehen und fortgehen. Zurück in seine eigene Welt, in der sie keinen Platz hatte.
    Sie wurde zur reglosen Gestalt in ihrem Kummer. So versteinert, dass jene, die sie beobachteten, im ersten Moment zögerten. Aber dann erinnerten sie sich an ihren Befehl und zückten die Waffen.

11. Kapitel
    Als der Morgen heraufdämmerte und ein herbstlich kühler Oktoberwind zum ausgewachsenen Sturm wurde, begriff Raoul de Nadier, dass er allein war. Jorina hatte ihn ohne ein Wort des Abschieds verlassen. Sie hatte seine jähzornige Forderung erfüllt, wie sie nahezu jeder Bitte von ihm nachkam. Stumm und gehorsam.
    »Du hast sie selbst davongeschickt, Dummkopf!« warf er sich erbittert vor.
    »Ich hab’ Euch nichts verkauft und nichts genommen!« hörte er ihre sanfte, melodiöse Stimme in seinem Kopf widerhallen. Er lachte gallig. Und ob sie ihm etwas genommen hatte! Sie hatte ihm seine hohe Meinung von sich selbst genommen, die Überzeugung eines Edelmannes, der sich allein aufgrund seines Geburtsrechtes anderen Menschen überlegen glaubt.
    Während er düster in das klare Wasser der Quelle starrte und der Wind an seinen Haaren zerrte, versuchte er die tiefe Niedergeschlagenheit zu überwinden, die ihn befallen hatte. Bei Gott, es fehlte nicht viel, und er würde sich auf die verzweifelte Suche nach einer hübschen Magd machen, die augenscheinlich mehr Vernunft als er selbst besaß. Dabei hatte er Wichtigeres zu tun! Es war an der Zeit, dass die Welt erfuhr, das sie mit Raoul de Nadier noch zu rechnen hatte.
    Trotzdem kam es ihm vor, als verrate er einen Teil seiner unsterblichen Seele, als er die Glut ausgehen ließ und die letzten Vorräte in die schäbige Decke wickelte. Er hatte unter diesem Felsen etwas kennengelernt, das über bloße Ehre und reinen Edelmut hinausging: die unverfälschte Zuneigung einer Frau, die ausschließlich gab und nichts forderte. Wohin sie wohl verschwunden war? Welches Geheimnis hatte sie die ganze Zeit vor ihm verborgen? Er würde es nie erfahren.
    Obwohl er keine Ahnung hatte, in welchem Teil des Waldes er sich befand, entschloss er sich, in südöstliche Richtung zu wandern, denn es kam ihm vor, als könne er im Wind eine Spur von Salzluft schmecken. Allzu weit konnte die Küste nicht entfernt sein.
    Als er den breiten Pfad mit Fuß- und Karrenspuren erreichte, fiel der erste Regen. Dicke Tropfen platschten in den Staub zwischen den Hufabdrücken und halb getrockneten Pferdeäpfeln. Eines stand fest, dieser Weg wurde regelmäßig von Menschen benutzt. Sich umsehend, zögerte er ein letztes Mal, dann schulterte er das Bündel und marschierte mit weit ausgreifenden Schritten vorwärts.
    Es hatte keinen Sinn, zurückzusehen. Sobald er eine Ansiedlung erreichte, würde er in Erfahrung bringen können, wo er sich befand. Vielleicht trieb er sogar ein Fuhrwerk auf, das ihn in die nächste größere Ortschaft mitnahm. Bis dahin musste er seine Entscheidung treffen, ob er Paskal Cocherel direkt herausfordern oder auf die Gerechtigkeit des neuen Herzogs vertrauen wollte?
    Solange er weder Informationen von der einen noch von der anderen Seite hatte, stand er vor einem schier unlösbaren Dilemma. Schwierig genug, um die Gedanken an Jorina für den Moment beiseite zu drängen. Montfort hatte seinen Sieg mit Hilfe von Cocherels Männern und dessen Machenschaften errungen. Vielleicht gefiel es ihm ja, einen Sündenbock für den Tod eines Heerführers aus königlichem Blut zu haben, den alle Edelmänner wie einen Helden verehrt hatten?
    Das dünne, blecherne Geschepper einer ärmlichen Kirchenglocke war schon seit geraumer Zeit zu hören gewesen, aber Raoul war so in seine Gedanken vertieft, dass der Klang erst allmählich in sein Bewusstsein drang. Er hob den Kopf, den er zum Schutz vor dem Regen tief zwischen die Schultern gezogen hatte, und ein tiefer Atemzug weitete seine Brust. Vor ihm lag ein Dorf, das groß genug war, um eine eigene Kirche zu besitzen! Er hatte es geschafft!
    Er beschleunigte seinen Schritt, denn ihm fiel nun auch auf, dass

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