Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
Vom Netzwerk:
klimperten jetzt auch die Meeresalgen wie falsche Wimpern.
    »Ja, du hast Recht. Es sind die besten Kinder auf der Welt«, brachte sie mit einem Anflug von Ironie endlich heraus.
    Die anderen Gäste schauten Marta belustigt an. Und auch Herr Klička konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Sie sah wirklich zu komisch aus.
    »Das Maß ist voll! Das habe ich nun wirklich nicht nötig! Alles lasse ich mir nicht gefallen!«, zischte Marta und schob Frau Nguyen beiseite, die ihr mit unterwürfigsten Entschuldigungen versuchte, die winzigen Muscheln aus den Haaren zu fieseln.
    Ein wenig später war Marta aus der Teestube herausgelaufen. An der Schwelle stieß sie noch mit Tuong zusammen. Aus ihrem Ausschnitt hüpften ihm zwei Röllchen gefüllt mit Karotten entgegen und am Ohr baumelte wie wild eine Bambussprosse. Tuong sah sie eine gute Weile verdutzt an, machte aber ein Gesicht, wie wenn sie ihm auch so gefallen würde.
    »Das hast du sehr schön gemacht, aber du wirst sehen, dass alles umsonst war. Du kriegst jetzt Ärger und die Hydra rührt sich sowieso nicht vom Fleck«, sagte Josef, als ihm Li das Fenster öffnete und er sich in ihr Zimmer schwang. Nach dem ganzen Freudentaumel war er wieder entmutigt.
    »Ruhe!«, krakeelte Li und sah aus, als würde sie sich mächtig auf etwas konzentrieren.
    Sie kniff die Augen zusammen und murmelte etwas auf Vietnamesisch. Josef dachte schon, sie würde den Verstand verlieren, traute sich aber nicht, zu stören.
    Dann sah Li auf die Uhr und sagte: »In acht Sekunde Hydra weg sein!«
    Josef schüttelte ungläubig den Kopf, als ob er damit andeuten wollte, was er von dem Ganzen hielt, aber da fing Li bereits an, die Sekunden abzuzählen.
    Es schien, als sollte Josef diesmal Recht behalten. Li zählte mindestens bis achtzig, aber noch immer passierte nichts.
    »Die kriegen keine zehn Pferde von hier weg«, sagte Josef und Li wollte schon aufgeben.
    Plötzlich aber ging das Licht im Treppenhaus an und man hörte schwere Schritte. Li legte aufgeregt Josef die Hand auf den Mund und fing an, ihre Augen mit aller Kraft zusammenzukneifen und murmelte wieder etwas auf Vietnamesisch.
    Und dann trat Marta in den Hof hinaus. Die echte Marta und kein Phantom! Marta aus Fleisch und Blut! Und mit einem Koffer! Li lächelte ein wenig, als ob ihr ein besonders schwieriger Zauber gelungen wäre.
    Erst als die Tür endgültig hinter Marta zuschlug, fingen Josef und Li voller Begeisterung zu schreien an: »Sie ist weg! Sie ist weg! Das ist ein Ding! Die Hydra hat sich getrollt! Die Hydra ist weg!«
    Und dann klopfte Josef Li anerkennend auf die Schulter und sagte: »Astreine Arbeit!«
    »Das nichts, das leicht war. Nur ganz viel denke und wünsche«, winkte Li ab und errötete ein wenig, weil sie sich so über das Lob von Josef freute.
    »Und du jetzt gehen in dein Haus und auch viel denke und wünsche und dein Mami zurückkomme«, sagte Li. Und dann sagte sie ihm noch einen vietnamesischen Satz, den er so lange wiederholen sollte, bis seine Mutter zurückkehrte.
    Der Satz klang wie eine geheime Beschwörungsformel, in etwa wie Chonjohcho chonjoh , was so viel hieß wie: Komm zurück, Mama, komm zurück.
    Josef nahm sich vor, das Chonjohcho chonjoh nicht nachzuplappern. Aber als er nach Hause kam, und es dort so still war wie im Grab – Herr Klička telefonierte nicht mehr, er saß nur da und starrte die Wand an, Vendula bröselte nicht mit Chips auf dem Sofa und schaute nicht einmal fern und Martianne machte vor lauter Beklommenheit nicht auf den Teppich –, fing er doch an, das Chonjohcho chonjoh aufzusagen.
    Er setzte sich in seinem Zimmer auf das Fensterbrett und kniff die Augen wie Li zusammen und sagte ganz leise den Satz auf. Er hatte ihn mindestens tausendmal aufgesagt, aber Frau Kličková kam immer noch nicht zurück.

6

    Ein paarmal schlug unten im Hof die Tür zu, aber das war Herr Bílek mit Olík, einmal beim Herausgehen, dann wieder, als sie vom Spaziergang zurückkehrten.
    Es war schon weit nach Mitternacht und Josef saß immer noch am Fensterbrett und sagte das Chonjohcho chonjoh auf, und dann sagte er nichts mehr auf, aber saß immer noch auf dem Fensterbrett und schnarchte ein wenig, weil er eingeschlafen war. Er zuckte dann kurz zusammen, war eine Weile wach und sagte den Satz wieder auf und dann schlief er wieder ein. Und so ging es immer weiter, bis unten im Hof wieder die Tür zuschlug und da war es schon halb zwei morgens, und Josef erblickte plötzlich Frau

Weitere Kostenlose Bücher