Josef und Li: Roman (German Edition)
anderen auf. Nur die Schildkröte blieb liegen, was ihr um einiges gemütlicher vorkam, als im Koffer eingesperrt zu sein und so zu tun, als sei sie ein Taschenschirm.
Dann half Josef Frau Kličková beim Beziehen der Stühle und Frau Kličková dachte laut darüber nach, wie sie einmal mit Josef wegfahren würde. Nur sie beide. Und noch
viel weiter als nach Chřást’any. Zuerst fahren sie nach Ägypten, dann auf die Osterinseln und auch nach Griechenland, nach Mexiko und nach China. Josef stellte sich das alles im Kopf vor, und es war schon fast so, als sei er mit Frau Kličková dort, während er aus dem Fenster in den Hof hinausblickte.
Li hängte gerade das Tischtuch auf, aus dem die Flecken all der roten Soßen vom vorigen Abend nur schwer zu entfernen waren, und Frau Kličková seufzte.
Auf einmal kam ihr die Zeit wie ein scheu gewordenes Pferd vor, das sich nicht aufhalten ließ, und Josef wie ein fast erwachsenes Pferd, das heißt wie ein fast erwachsener Junge, den man auch nicht aufhalten konnte. Und so umarmte sie ihn noch schnell, sie wollte Josef noch so lange es ging an sich drücken, bevor für sie die Zeit käme, ihn sich selbst überlassen zu müssen.
Im gleichen Augenblick drehte sich Li zu Josef und Frau Kličková um, und als sie die beiden sah, winkte und lächelte sie. Aber gleich darauf gefror ihr Lächeln. Und Josefs auch. Es war so festgefroren, dass er nur noch stammeln konnte: »Hi … Hi …«, aber in Wirklichkeit meinte er: »Hy…Hy…Hydra!«
In den Hof marschierte nämlich die Hydra. Mit ihrem Koffer. Und auch Frau Kličková gefror ein wenig das Lächeln, doch Marta sah so elend, verzweifelt und so gebrechlich aus, dass Frau Kličková nichts anderes übrigblieb, als ihr zuzurufen: »Komm schnell rein!«
»Es war die schlimmste Nacht meines Lebens!«, seufzte Marta, als sie sich in der Werkstatt wie ein nasser Sack in den Sessel am Ofen fallen ließ.
»Du Arme, wo warst du denn die ganze Zeit?«, fragte Frau Kličková und machte sich sofort daran, Marta einen heißen Tee mit Zitrone zuzubereiten.
»Am Bahnhof!«
»Wie ein Obdachloser!«
»Und, bin ich denn was anderes als eine Obdachlose?«, raunzte Marta und schwere Tränen rannen ihr über die Wangen.
»Aber das ist doch nicht wahr, ich hab dir doch gesagt, du kannst so lange bei uns bleiben, wie du willst!«
»Echt?«, fragte Marta und Frau Kličková nickte.
Josef beobachtete die Szene in stummer Verwunderung. Also waren der ganze Schweiß, die Tränen und die Plackerei völlig umsonst gewesen! Auch Herr Klička war verwirrt, seine Frau hatte ihn völlig aus der Fassung gebracht. Aber weil er sie oft auch in weniger verwickelten Situationen nicht verstand, versuchte er gar nicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Stattdessen reichte er Marta ein Taschentuch und widmete sich wieder seinem Tischbein.
Nachdem Marta sich die Nase geputzt hatte, blitzte es ein wenig in ihren Augen und dann sagte sie, als ob sie den Kličkas eigentlich einen Gefallen tun würde: »Na wenn ihr unbedingt wollt, dass ich bleibe, dann bleibe ich eben.«
Aber das war Josef schon zu viel. Angewidert drehte er sich um und verließ die Werkstatt.
»Ich pfeif drauf!«, sagte Josef und Li erwiderte, dass er darauf nicht pfeifen dürfe. »Und was soll ich deiner Meinung nach tun, wenn doch die Hydra wieder zurück ist?«, fragte Josef etwas
gereizt. Aber er verschwieg, dass ihm Marta eigentlich leidtat und dass er sich auch nicht wunderte, dass Frau Kličková die Hydra hereingelassen hatte. Li dachte wahrscheinlich etwas Ähnliches, denn sie schwieg lange.
Sie waren im Park und durch den wolkenverhangenen Himmel blitzte gerade die Sonne hervor. So ein blendendes Licht hätte man bis vor kurzem gar nicht erwartet. Die Bäume und Büsche, die von diesem plötzlichen Licht durchflutet wurden, schienen nun ganz vergoldet, und die schattigen Plätze wirkten noch viel dunkler und undurchdringlicher als vorher.
Josef und Li trugen den Käfig mit dem Papagei und um sie herum scharwenzelte Olík, der die Vögel, die nicht zum Überwintern in den Süden geflogen waren, dazu aufforderte, den Papagei zu bewundern.
»Du sein schlau und denke!«, platzte es endlich aus Li, aber es sah überhaupt nicht so aus, als ob sie selbst einen glorreichen Einfall gehabt hätte. Plötzlich blitzte etwas in einem der besonders dunklen Büsche auf. Als ob sich dort jemand verstecken würde. Und durch ein Fernrohr schaute. Und so war es auch! Schon eine ganze Weile
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