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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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hatte. Und jetzt ging sie in den Park, um sich ein wenig auszuruhen. Den ganzen Vormittag über hatte sie keinen einzigen Schmuck verkauft und sie gab langsam die Hoffnung auf, dass sie wenigstens das Geld für das ganze Material zurückbekommen würde.
    »Bravo, Josef!«, rief sie Josef zu, der Tuongs Unaufmerksamkeit ausgenutzt hatte und seinen Lehrer über den Kopf warf wie einen Pfannkuchen. Und gleich darauf rutschte sie aus, sodass sie gleich neben Tuong auf den Boden fiel. Ihre Sachen
rollten wie Murmeln in alle Richtungen und das Leben kam ihr wieder einmal schrecklich ungerecht vor.
    »Die Kränze sehr schöne«, sagte Tuong, nachdem er aufgestanden war und sich den Schnee abklopfte. »Das sein Ihre Bissniss?«
    »Ja, das ist mein Bissniss«, sagte Marta und ließ sich aufhelfen. »Aber niemand will kaufen. Wie es scheint, ist der Markt übersättigt.«
    Li schubste Josef unauffällig, er solle endlich aufhören, sich damit aufzublasen, wie er gleich in der ersten Stunde den berühmten Champion aus dem südlichen Viertel von Hai Phong besiegt hat und stattdessen zu Marta und Tuong schauen. Denn Tuong half Marta gerade dabei, all die Schmuckstücke aufzuheben und konnte seine Augen nicht von ihr losreißen. Danach sagte er, dass er alles kaufen wolle.
    »Wirklich?«, fragte Marta ungläubig und Tuong antwortete: »Ja, wirklich.«
    »Der ist ja blöd«, flüsterte Josef. »Was will er mit all den Kränzen?« Aber Li antwortete, der Blöde sei ja wohl Josef, wenn er nicht sähe, dass Tuong Marta, würde sie einen Flohzirkus verkaufen, auch den abgekauft hätte, und dass ihr jetzt kalt sei und sie nach Hause müsse. Und so gingen die beiden nach Hause.

8

    Am Freitagmorgen öffnete Josef schon das zwanzigste Fenster in dem Pappkalender und nahm das zwanzigste Stück Schokolade heraus. Aber es ging gar nicht mal so sehr um die Schokolade in dem Kalender. Viel wichtiger war, dass immer mehr Fenster offen waren, was hieß, dass Weihnachten vor der Tür stand.
    Und jetzt waren nur noch vier geschlossen! Und zudem fiel der Heiligabend in diesem Jahr auf einen Dienstag, somit fingen die Weihnachtsferien bereits am Freitag an.
    »Weihnachten! Hurra, Ferien!!!«, schrien Máchal und Hnízdil, als mittags die Schulglocke läutete, und schon schlossen sich ihnen die anderen Kinder an, packten ihre Taschen und stürmten aus der Klasse.
    Die Frau Lehrerin konnte sie nicht aufhalten. Sie stand mit einer noch nicht ganz abgebrannten Wunderkerze bewaffnet
auf dem Podium und sah irgendwie verwaist aus. »Und vergesst die Hausaufgaben nicht! Substantive, Nagetiere und schöne Weihnachten!«, sagte sie ins fast leere Klassenzimmer hinein.
    Und auch Josef war schon mit einem Fuß draußen, aber da fasste sich die Frau Lehrerin wieder und sagte noch: »Was ist mit der Landkarte, Josef?«
    Josef musste wohl oder übel zurück in die Klasse. Er rollte die Landkarte zusammen und half der Frau Lehrerin, sie im Kabinett zu verstauen.
    »Schöne Weihnachten dann«, sagte er dann schnell und wollte schon verschwinden. Aber die Frau Lehrerin sagte ihm, er solle noch warten und holte ein in buntes Papier eingewickeltes Päckchen aus der Tasche.
    Oh mein Gott, die wird doch wohl kein Geschenk für mich haben!, schoss es Josef durch den Kopf und ihm wurde ein bisschen schlecht. Hätte sie allen Kindern ein Geschenk gegeben, wäre das kein Problem, aber so, wenn er als Einziger aus der Klasse eins bekommen sollte, so war das eine grauenhafte Vorstellung.
    Fast hätte er es sich geschnappt, hätte danke gebrabbelt und sich aus dem Staub gemacht. Aber die Frau Lehrerin kam ihm zuvor und bat ihn, das Päckchen aufzumachen.
    Das, was Josef zu sehen bekam, übertraf alle Vorstellungen. Es war eine Bommelmütze. Eine handgestrickte Bommelmütze mit einem riesigen Bommel. In hellrosa!
    »Setz sie auf!«, forderte ihn die Frau Lehrerin auf und man sah ihr an, dass sie stolz auf ihr Meisterwerk war. Josef konnte sich nicht aufraffen zu protestieren und so setzte er die Mütze
auf. Und wollte sie so schnell wie möglich wieder abnehmen, aber die Frau Lehrerin sagte, er solle sie noch einen Augenblick aufbehalten. Und dann betrachtete sie die Mütze lange. Sie schritt um ihn herum und ihre Lippen umspielte ein teils verträumtes und gleichzeitig ein trauriges Lächeln.
    Josef ahnte, dass mit der Frau Lehrerin etwas nicht in Ordnung war, aber er wusste nicht genau was, und so sprach er ein Stoßgebet, die Frau Lehrerin möge nicht völlig verrückt

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