Josef und Li: Roman (German Edition)
Polizei!!!«
Frau Bajerová packte Josef und Šíša an den Ohren und schleifte sie zur Wohnung hinaus. Máchal und Hnízdil traten rasch zur Seite und noch bevor die Tür hinter den Jungs zufiel, konnte Josef aus dem Augenwinkel sehen, wie Helena erleichtert zum Schrank stürzte. Und etwas sagte – zumindest Šíša bildete sich ein, es gehört zu haben – : Josef, du Hosenscheißer, drrrolliger Drrreikäsehoch.
Helena war also wieder einmal davongekommen. Aber eine Sache daran war doch ganz gut: Jetzt war Josef in der Sache nicht mehr allein.
»Sie sieht aus wie Schneewittchen«, flüsterte Šíša, als er mit den Jungs Li besuchte. Ohne dass sie etwas bemerkte, platzierten sich die vier um ihr Bett.
Sie schlief und schlief und auf ihren Wangen spiegelte sich etwas Verträumtes, als ob sie in einer anderen Welt wäre oder zumindest auf einem anderen Kontinent.
»Du solltest sie …«, sagte Šíša nur den halben Satz und schaute Josef vielsagend an. Aber Josef verstand nicht, und so spitzte Šíša die Lippen und schaute noch vielsagender. »Du meinst küssen?«, fragte Josef entsetzt und Šíša nickte. Und als Josef zu Máchal und Hnízdil herübersah, nickten auch sie, weil sie genau das Gleiche dachten.
Und so beugte sich Josef über Li und gab ihr einen Kuss – nur so einen ganz kleinen Kuss, irgendwohin zwischen Nase und Kinn. Aber die Jungs brachen nicht in Gewieher los, wie Josef vermutet hatte. Li drehte sich ein bisschen im Bett und seufzte im Schlaf: »Banntschung.«
»Banh-chung?« – so schrieb sich das Wort, welches Li ausgesprochen hatte – »Sie habe wirklich gesagt Banh-chung?«, fragte Herr Nguyen. Und machte ein strahlendes Gesicht.
»Ja, sie hat Banh-chung gesagt«, pflichtete Šíša bei und Hnízdil fragte gleich, was das Wort bedeutete.
»Das ein Essen, dass wir in Vietnam zu Neue Jahr haben.«
»Und das würde ihr helfen?«, fragte Josef und Herr Nguyen sagte, dass es ganz bestimmt helfen würde.
»Dann kochen Sie es!«, platzte es aus Máchal heraus, der aussah, als ob er selbst großen Appetit auf ein Banh-chung bekam.
»Aber das nicht einfach«, wandte Herr Nguyen ein und sah wieder betrübt aus, »musst du habe Klebereis …«
»Das ist kein Problem! Klebreis müssten wir haben!«, rief Hnízdil.
»Schweinen-Fleisch …«, fuhr Herr Nguyen fort.
»Das auch!«, fiepste Šíša – Šíša fiepste immer ein wenig, wenn er begeistert war.
»Sojabohne …« Die Jungs wollten schon rufen und fiepsen, dass Sojabohnen auch kein Problem wären, aber da versetzte Herr Nguyen ihnen einen herben Schlag.
»Und Arrowroot-Blätter.«
Josef schluckte schwer und wiederholte für sich: »Und Arrowroot-Blätter.«
»Ja, Arrowroot-Blätter. Das ist der Problem. Diese nicht wachse in Tschechische Republik«, sagte Herr Nguyen und eine Weile sah es in der Lustigen Teh Cann wie in einer traurigen Teh Cann aus. Aber nur eine Weile. Denn dann sagte Josef entschlossen: »Wir werden die Blätter auftreiben. Sie werden sehen! Li bekommt ihr Banh-chung und wird wieder gesund.«
Herr Nguyen nickte mit dem Kopf. Und wenn er auch nicht daran glaubte – vor ein paar Tagen hatte sich Josef genauso gebrüstet, den Papagei zu finden –, ließ er sich nichts anmerken. Er wollte den Jungs den Spaß nicht verderben. Und sich selbst auch nicht! Ein wenig freute er sich ja doch. Denn statt eines Freundes hatte sein allerliebstes Linchen, süßes Mandarinchen, wie er Li für sich heimlich nannte, drei Freunde mehr. Und das war doch auch etwas!
In der Wohnung von Herrn Bílek sah es an diesem Nachmittag wie in einem Lesesaal aus. Zum Beispiel wie in einem Lesesaal der Bibliothek in Alexandria in Ägypten – natürlich bevor sie abgebrannt war! Für kurze Zeit sah es aber tatsächlich nach einem Feuer aus. Herr Bílek hatte nämlich, kurz bevor die Jungs gekommen waren, um zu fragen, was ein Arrowroot sei, seine Schuhe in den Ofen gesteckt. Aber nicht, um einen leckeren Braten zuzubereiten! Er wollte sie nur trocknen. Sie
waren vom gestrigen Ausflug mit Frau Miluška nass geworden, nachdem die Sonne so plötzlich und so kräftig zu scheinen begann, dass der Schnee sofort schmolz und die harten, vereisten Wege sich in weiche, matschige Rinnsale verwandelten. Und Herr Bílek und Frau Miluška achteten überhaupt nicht darauf, dass sie in dem Augenblick völlig durchnässte Füße hatten, sie waren seelenruhig weitergegangen und ließen sich von der erstaunlichen und unverhofften Wärme mitten im Winter
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