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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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wurde. Und er wollte das Versprechen einlösen, welches er Frau Nguyen gegeben hatte. Nach einer Weile hin und her gelang es ihm schließlich, Helena zu fangen und ihr den Vogelkäfig aus der Hand zu winden.
    »Hiiilfeee! Ein Dieeeeb!!!«, fing Helena derart überzeugend zu plärren an, dass der Trödelhändler aus dem Laden gelaufen kam.
    »Gib sofort den Käfig zurück! Du solltest dich was schämen, ein Mädchen so anzugehen!«, schrie der alte Mann und sah Josef drohend an. Josef stand gelähmt da, hielt den Käfig in seiner Hand fest und war nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung zu sagen.
    »Hörst du nicht? Gib ihr den Käfig zurück!«
    Die Leute, die vorbeigingen, drehten sich nach Josef um, schüttelten den Kopf und verzogen das Gesicht, als ob Josef
das arme, wehrlose Mädchen, das jetzt entsetzt guckte, tatsächlich ausrauben wollte.
    Der Trödelhändler kam Josef schon zum Greifen nahe und schaute so böse, dass Josef wohl oder übel den Käfig herausrückte. Er warf ihn Helena zu Füßen wie ein fauliges Stück Fleisch. Der metallene Käfig fiel klirrend auf den Boden und rollte zum Kanal. Josef machte sich aus dem Staub. Er war verzweifelt.
    So sehr, dass Šíša, Máchal und Hnízdil, die alles heimlich beobachtet hatten, Gänsehaut bekamen.
    »Ich würd sagen, der ist schon ganz schön reif«, flüsterte Máchal.
    »Ja, das sag ich auch«, bestätigte Hnízdil. Und Šíša lächelte zufrieden.
    Am nächsten Tag war Samstag, aber Marta ließ Vendula nicht ausschlafen. Sie öffnete das Fenster, atmete tief durch und rief: »Aufstehen, Vendulka! Jetzt wird geschnitten und genäht!«
    Kurz darauf wurde die Küche von einer Welle weißen Stoffs und dem tackernden Geräusch der Nähmaschine überflutet. Marta und Tuong sagten sich schon vor ein paar Tagen, dass sie einander liebten – also statt Tuong sprach ein batteriebetriebenes Hündchen. »I love you«, sagte der Hund, als ihm Tuong den Knopf am Bäuchlein drückte.
    »Und du, was hast du gesagt?«, fragte Vendula und ihre Wangen glühten vor Aufregung.
    »Also ich hab gesagt – ich auch.«
    »Hast du es zum Hündchen gesagt oder zu Tuong?«, wollte es Josef ganz genau wissen, als er versuchte, unter dem weißen
Schleier, der die ganze Küche ausfüllte, etwas Essbares zu finden.
    »Beiden«, lachte Marta und Josef fiel ein Stein vom Herzen. Aber nur ein bisschen. Nachdem es ihm mit Li gelungen war, die eine Hydra, also Marta, zu pazifizieren – sie hatte aufgehört, sich vor Herrn Klička zu produzieren, sie sagte nicht mehr, wie gut er aussähe, wie stark und männlich er sei und wer weiß noch was –, tauchte vor ihnen eine weitere Hydra auf. Aber die musste er ganz alleine erledigen. Und er wusste sich nicht zu helfen. Und Frau Nguyen hatte sich ganz auf ihn verlassen! Jedes Mal, als sie ihn im Hof erblickte, sandte sie ihm fragende, erwartungsvolle Blicke zu. Aber Josef musste sie jedes Mal enttäuschen. Fast schon fing er an, ihr und Herrn Nguyen aus dem Weg zu gehen. Er kam sich unfähig vor, aber vor allen Dingen völlig machtlos.
    »Und was war dann?«, fragte Vendula, als sie das Meer aus weißem Stoff an Marta mit Nadeln zusammensteckte und das nun immer mehr einem Hochzeitsschleier ähnelte. Doch die Antwort hörte Josef nicht mehr.
    Aus dem Hof war ein altbekanntes Pfeifen zu hören. Und auf einmal war es fast so wie früher. Unten standen Máchal, Hnízdil und Šíša. Nach den heftigen Gesten zu urteilen – Josef hatte den Eindruck, dass Máchal ein wenig mit den Ohren wackelte, Hnízdil ein bisschen schielte und Šíšas Kinn zitterte – musste es äußerst wichtig sein. Und so zögerte er keine Sekunde und lief zu ihnen herunter.
    »Weißt du, wir dachten, wir belassen es nicht dabei«, fing Máchal ausschweifend an und wackelte tatsächlich ein wenig mit den Ohren – so nervös war er.
    »Und helfen dir in der Sache«, setzte Hnízdil vorsichtig fort, und Josef bemerkte, dass er in Wirklichkeit nicht schielte, sondern nur die Augen verdrehte.
    »Allein wirst du es wohl kaum schaffen«, sagte Šíša und außer seinem Kinn zitterten noch seine Stimme, seine Hände, seine Füße und seine Nase.
    »Also wir tun es nicht einmal so sehr für dich«, fügte Máchal rasch hinzu, damit es nicht aussah, als wollten sie sich aufdrängen, »sondern für …«, und deutete mit dem Kopf in Richtung von Lis Fenster. Josef reagierte auf das Zeichen mit einem leichten Nicken – und hatte das Gefühl, er würde

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