Josefibichl
schloss gar nichts aus, auch nicht die Möglichkeit, dass ein Maulwurf aus den Reihen der Polizei oder gar des LKA die Informationen einem Onlinejournalisten gesteckt haben könnte.
»Habe bereits nach oben weitergeleitet, dass sich der Hartinger wohl gestern nach München bewegt haben muss, sodass die Fahndung auch auf diesen Raum ausgeweitet wurde«, erklärte Bernbacher beflissen.
Schneider hätte diese Information zwar gern selbst »nach oben« weitergegeben, aber er sah ein, dass Zeit in diesem Fall ein wichtiger Faktor war, und ließ Bernbacher ungeschoren. »Bernbacher, schicken Sie zwei Mann nach St. Anton. Oder besser: zwei Kolleginnen, wenn Sie haben; die sind gründlicher. Die sollen den Laden vom Keller bis zum Speicher durchsuchen, dabei aber nichts kaputt machen. Wir benötigen jegliche Aufzeichnungen des Toten in Papier – oder elektronischer Form: Pläne, Zeichnungen, Skizzen, einfach alles. Das Opfer muss einen eigenen Computer gehabt haben, wahrscheinlich ein Laptop oder Notebook; der würde mich besonders interessieren. Aber bitte wieder schön sauber aufräumen.«
Bernbacher gab diesen Befehl umgehend an die beiden jungen Polizistinnen Natalie Berchtenbreiter und Chantal Gramminger weiter, die beide aus dem Ort stammten und sicherlich fleißige Hausfrauen waren. Danach setzte Schneider seine Wunschliste fort. Hartingers Wohnung in der Dreitorspitzstraße sei zu durchsuchen, natürlich zunächst ein Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Gericht zu beschaffen. Seine Fingerabdrücke seien täglich zweimal durch den Computer zu jagen, vielleicht würde er ja auf der Flucht eine Straftat begehen, bei der er neue Abdrücke hinterließ. Um die Handyortung und die Auswertung der bayernweit mittlerweile gut verteilten Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen kümmerten sich die Videofahnder des LKA in München. Auch wenn die bayerische Polizei noch analog funkte, gab es in Zeiten von Terrorgefahr und prügelnden Kindern in U – und S-Bahn bereits die digitale Gesichtskontrolle. Irgendwann musste ihnen Hartinger ins Netz gehen.
Nachdem Bernbacher auch diese Tätigkeiten an seine Subalternen weiterdelegiert hatte, setzten sich die beiden leitenden Polizisten in Bernbachers Büro an den kleinen Besprechungstisch.
»Und nun, lieber Kollege Bernbacher, erzählen Sie doch mal: Was ist hier im Ort so alles los?«
Bernd Schneider hegte gar nicht die Hoffnung, von Bernbacher Insiderwissen über Garmisch-Partenkirchen zu bekommen. Aber vielleicht verplapperte sich der Kollege ja an der einen oder anderen Stelle. Dass hier einiges faul und so manches oberfaul war, schloss Schneider nicht nur aus dem Auftritt des Bürgermeisters vorhin im Hotel. Dort, wo die Bürgersteige am ordentlichsten gekehrt waren, stank es darunter oft gewaltig. Und den pittoresken Fassaden mit ihren kitschigen Lüftlmalereien und den guanogedopten Turbogeranien traute er schon gar nicht.
»Ja mei«, hob Bernbacher zu seinem Vortrag an, »eigentlich, also, wenn Sie mich fragen, ist hier eigentlich alles so, wie‘s immer war. Wird halt alles irgendwie immer mehr und immer größer, also von daher ist es nicht mehr ganz so, wie‘s immer war. Aber dann auch wieder schon.«
Schneider schwieg, um Bernbacher von sich aus auf die faulen Stellen des Postkartenortes kommen zu lassen.
»Hier gibt‘s ab und zu Einbruchswellen, wenn ein osteuropäischer Trupp durch die Lande zieht. Drogendelikte, ja mei, die üblichen halt. Schmuggel im großen Stil macht ja die Schleierfahndung, wir sind ja Grenzgebiet, aber finden tun wir schon auch mal das eine oder andere Packerl Hasch bei einem örtlichen Dealer. Aber die Szene ist eigentlich in Murnau zu Hause. Logisch, während der beiden Garmischer und Partenkirchner Festwochen mit ihren Bierzelten gibt‘s hier jede Menge Alkoholdelikte. Ist ja dann ein bissl Oktoberfest hier am Ort. Und, ja mei, Radl werden so gern geklaut wie in München auch. Im Winter kommen dann noch die Skidiebstähle dazu. Tote haben wir regelmäßig, aber meist Bergunfälle.«
Bernbacher machte eine Denkpause. Schneider schwieg immer noch. Er wollte Bernbacher nicht unterbrechen, wenn sein Hirn schon mal dabei war warmzulaufen. Aber er hätte ihm zu gern gesagt, dass sich ein mutmaßlicher Bergunfall ausgezeichnet für den perfekten Mord eignete. Ein Schubser an der richtigen Stelle, und die Sache war gelaufen. Ein Körper, der mehrere Hundert Meter eine Felswand hinabgefallen und dabei unzählige Male an
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