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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Felsvorsprüngen aufgetroffen war, wäre eine unlösbare Aufgabe für den forensischen Pathologen. Zurück blieb dann nur ein angeblich geschockter Bergkamerad, und der war nicht selten der Geschäfts – oder Geschlechtspartner des Verunglückten.
    Bernbacher setzte seinen Bericht fort. »Es wird halt schon irgendwie ruppiger, das muss man sagen. Jetzt haben sie vorn am Ortseingang die zwei Maskottchen der Ski-WM 2011 mit Hitlerbärtchen verziert und › Fuck 0lympia ‹ draufgeschmiert. Haben sich dabei auch noch verschrieben, die Deppen, und › 01ypia ‹ ohne › m ‹ gekritzelt. Und in der gleichen Nacht haben sie einer der Olympiagegnerinnen, die ihre Wiesen nicht fürs olympische Dorf hergeben will, mit einem Stein die Windschutzscheibe eingeschmissen. Also angeblich, sag ich nur. Können natürlich auch die Nachbarbuben gewesen sein. Aber jeder denkt natürlich gleich an den Olympiaschmarrn.« Und nach einer weiteren Denkpause: »Das ganze Olympia und der ganze andere Schmarrn, Ski-WM, Motorradtreffen mit dreißigtausend Bikern und so weiter und so fort, das wird uns hier noch Nerven kosten. Also sicherheitstechnisch ist das alles der pure Wahnsinn, das sag ich Ihnen.«
    Auch an Schneider war die überregionale Berichterstattung über das erbitterte Ringen um das Für und Wider der Olympischen Winterspiele 2018 nicht vorbeigegangen. So, wie es nach außen aussah, war Garmisch-Partenkirchen gespalten in eine Fraktion von Olympiabefürwortern – Sportvereinstypen, Geschäftsleute, Hoteliers logischerweise – und eine der Olympiagegner; Letztere rekrutierte sich aus Bauern, auf deren Wiesen diverse Einrichtungen der Megaveranstaltung errichtet werden sollten, und Naturschützern, die nicht akzeptieren wollten, dass wegen ein paar Skirennen noch breitere Schneisen in den Bergwald geschlagen und noch weitere Stauseen für die Beschneiungsanlagen in die Natur gebaggert wurden.
    Schneider hatte während der Lektüre der Zeitungsartikel in den vergangenen Wochen den Eindruck gewonnen, dass die Leute unterm Strich sicher zusammenzubringen gewesen wären, hätten die Befürworter von Anfang an die Zweifler ernst genommen und wären mit ihnen in Dialog getreten. Doch wie immer bei staatlich erwünschten Großprojekten waren erst dann der Münchner Oberbürgermeister, der Staatskanzleichef und sogar der leibhaftige Ministerpräsident zu den Betroffenen gefahren, als die sich längst in einer Bürgerinitiative gesammelt und mit offener Revolte samt Bürgerbegehren gedroht hatten. Man wusste doch, wie sich der ansonsten obrigkeitshörige Oberbayer gebärden konnte, wenn er seine bürgerlichen Grundrechte zu sehr eingeschränkt sah. Da hätte man vorhersehen können, dass das Eindringen Münchens als offizielle Ausrichterstadt der Olympischen Spiele in die von den Voralpenbewohnern hochgehaltene Bergidyll-Fassade nicht sang – und klanglos hingenommen werden würde. Jahrzehntelang hatte man in der Stadt »die da draußen« als rückständige Störer des innermünchnerischen Stadtverkehrs mit dreibuchstabigem Kennzeichenkürzel empfunden, wenn sie sich am Wochenende zwecks Shoppings in die Innenstadt begaben. Nun brauchte man aber die einhundert Kilometer südlich gelegenen Berge. München hatte nun mal – außer drei aus Weltkriegsschutt oder Wohlstandsmüll erschaffenen Hügeln – keine topografischen Erhebungen, und schon gar keine wintersporttauglichen. Selbst in Hamburg gab es beim »Rüschen auf Schinkels Wiese« längere und rasantere Schlittenabfahrten als in der bayerischen Metropole. Für Winterolympia war das eindeutig zu wenig.
    Mit dem Olympiathema würde sich auch Schneider beschäftigen müssen, denn ein innerdörfliches Hickhack, dessen erstes Vorgeplänkel Schmierereien und eingeschmissene Autoscheiben waren, konnte sich über Nacht zu einem ordentlichen Bürgerkrieg auswachsen. Warum ein junger Franziskaner dessen erstes Opfer sein sollte, erschloss sich zwar nicht auf Anhieb, aber Schneider würde diesen Aspekt in seine Dreihundertsechzig-Grad-Recherche mit aufnehmen.
    Derweil wollte er Bernbacher aber zu naheliegenderen möglichen Tätern und Motiven aushorchen. Er versuchte einen routinierten Eindruck zu machen, als er fragte: »Wie ist das eigentlich mit dem Kloster? Was tun die da, und wie ist es um die Beliebtheit der Franziskaner von St. Anton bestellt?«
    Bernbacher war froh, das politisch brisante Thema Olympiabewerbung verlassen zu können. Er schaute auf die Landkarte an der Wand. »Ja

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