Josefibichl
wird oder man Gäste hat. Leider haben sie es aber wieder veräußert. Unserem Tourismusdirektor wäre es lieber gewesen, sie hätten sich weiter um den alten Kasten gekümmert, denn jetzt vergammelt er unter der neuen Besitzerschaft, bei der das Geld nicht aus dem Wüstenboden sprudelt.«
Bernd Schneider starrte die Kollegen fassungslos an. »Emirat Al-Wai Dabbeyh? Wollt ihr mich jetzt verarschen?«
»Heißt wirklich so«, beteuerte Claudia Schmidtheinrich. »Ist eines der Vereinigten Arabischen Emirate. Davon gibt‘s laut allgemeinem Kenntnisstand sieben. Was aber fast niemand weiß: Es sind eigentlich acht, denn Al-Wai Dabbeyh ist ein Staat ohne Staatsgrund und ohne eigene Bevölkerung. Das heißt, ohne Bevölkerung außer der Familie des Scheichs. Die hatte uralte und nicht ganz klare Besitzansprüche an die anderen Clans der Vereinigten Emirate. Also Dubai und Abu Dhabi und so weiter. Und bei der Staatsgründung 1971 haben sich die Familien geeinigt, dass die Dabbeyhaner in Zukunft einen Teil der Einnahmen der anderen Emirate bekommen sollten, und zwar über die nächsten neunundneunzig Jahre hinweg. Das sind jedes Jahr mehrere Milliarden US-Dollar. Und weil, wo kein Land und keine Leute sind, auch keine Kosten entstehen, ist der Scheich einer der reichsten Männer der Welt. Und er bleibt‘s wohl noch eine Weile. Die Vereinigten Emirate wurden 1971 gegründet, und so bekommt er bis 2070 Jahr für Jahr mehrere Milliarden, Tendenz steigend, weil ja der Ölpreis ständig nach oben geht.« Sie wusste wieder einmal alles.
»Oder besser: Er ist einer der unbekanntesten reichsten Männer der Welt«, ergänzte Bernbacher. »Gesehen hat den nämlich fast noch niemand. Zumindest bei uns in Garmisch noch nicht, obwohl er bald vierzig Jahre hier seine Villa hat. Er besitzt wohl zig solcher Wohnsitze und auch einige Jachten und Privatjets, auf denen er mit seiner Familie und dem Hofstaat um die Welt saust. Immer dort, wo es ihm und seinem Anhang nicht zu heiß und nicht zu kalt ist. In Garmisch sind seine Leute also meistens im Sommer, genau wie die anderen Araber um diese Zeit München bevölkern, um zu shoppen und sich die Nasen und Hüften in Großhadern machen zu lassen. Die verschleierten Damen in den schwarzen Gewändern, die sich in Mercedes-Limousinen durch den Ort chauffieren lassen, und auch einige wohlriechende junge Burschen in weißen Kitteln sieht man dann ständig. Aber ihn, den Scheich, nie.«
»Die weißen Kittel heißen Dischdascha.« Claudia Schmidtheinrich glänzte weiterhin mit lexikalischem Wissen, obwohl diese Information nun wirklich nichts zur Sache tat.
Dennoch, diese Geschichte fand Bernd Schneider ebenso aberwitzig wie interessant. Geld hatte so ein Scheich sicher genug, um sich nicht nur eine Villa, sondern auch einen ganzen Berg zu kaufen. Besonders, wenn er von Haus aus kein Land hatte, dort, wo er herkam. Dann sammelte so einer vielleicht Liegenschaften in anderen Gegenden, wo es ihm gefiel. Nur ob der da dann Tempel aller Weltreligionen inklusive der jüdischen darauf errichten würde . . . Seine Ermittlungen auf die Verbindung zwischen einem obskuren nomadisierenden Scheich und dem windigen Veit Gruber zu bauen schien Schneider doch etwas gewagt.
»Und sonst jemand, der den Gruber bei seinen Vorhaben üblicherweise unterstützt? Ich meine, finanziell?«
Die Garmisch-Partenkirchner Polizisten schwiegen. Entweder sie wussten nichts, oder sie wollten nicht, dachte Claudia Schmidtheinrich. Allmählich wurde ihr das alles ein wenig zu unübersichtlich: toter Mönch, flüchtiger Kirchengegner, Olympiageplänkel, machtbesoffener Bürgermeister, Riesenprojekt eines Größenwahnsinnigen . . . So ein Scheich passte da ganz gut in die Landschaft voller Durchgeknallter.
»Kommen wir mal zu den Tatsachen zurück«, mahnte Versammlungsleiter Schneider die Runde. »Gibt es irgendetwas zur Tatwaffe, dieser Garrotte?« Die Runde schwieg.
»Ich halte fest: Sie durchsuchen den ganzen Tag das Kloster und die Wohnung des flüchtigen Hartinger. Nichts. Hunde im Gelände. Nichts. Hartinger. Untergetaucht und hat am helllichten Tag in Bad Tölz im Internetcafe gemütlich gesurft.«
Wie aufs Stichwort meldete sich Claudia Schmidtheinrichs Handy mit einem Summen. Sie wandte sich kurz von der Runde ab, horchte, sagte hin und wieder »Ja« oder »Nein« und beendete das Gespräch. Dann sagte sie freudig erregt mitten in das abermalige Schweigen hinein, das auf Schneiders verstörende Bilanz gefolgt war:
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