Josefibichl
wartete die Staatsmacht an jeder Ecke, um Gonzo Hartinger dingfest zu machen. Und der Bub konnte jeden Moment in der Tür stehen. Nicht, dass Hartinger ihn nicht sehen wollte, ganz im Gegenteil. Es tat ihm unendlich leid, dass er sich im Haus der Mutter vor ihm verstecken musste. Aber konnte ein Vierzehnjähriger die Klappe halten?
»Ja, der Onkel Albert kommt. Er will den kleinen Computer sehen, sagt er. Wegen dir ist es nicht.« Kathi drehte sich vom Herd zu Hartinger um, der immer noch unbeholfen in der Mitte der Wohnküche stand. »Und jetzt schau, dass du auf den Dachboden kommst. Ich bring dir hernach einen Teller rauf.«
»Was gibt‘s?«
»Kässpatzen und Salat.«
»Und eine Halbe Weißbier? Vom Karg?«
»Unverschämt brauchst nicht werden, Hartinger!«, verscheuchte Kathi ihren Kindsvater aus der Küche, gerade als draußen der Junior das Bergrad an die Tür des Schuppens knallte.
Hartinger hatte in Bad Tölz nur ganz kurz den Inhalt des Notebooks überfliegen können. Jetzt öffnete er es erneut und klickte sich durch die umfangreichen Ordner und Dateien. Zum Studieren der vielen Hundert Dokumente, die teilweise als gescannte Faksimiles, teilweise als Transkripte im Word-Format vorlagen, hatte er allerdings keine Zeit. Bevor Albert kommen würde, wollte er außerdem die Lage in der bayerischen Hauptstadt checken.
Er kramte in der Tasche nach dem arabischen Handy und versuchte Kurt Weißhaupt zu erreichen. Natürlich ging der nicht an sein Telefon, das aber immerhin ein Rufzeichen an Hartingers Ohr zurückspielte. Wäre das Telefon ausgeschaltet gewesen, was zu neunundneunzig Prozent der Fall war, hätte er nur den Spruch »Versuchen Sie es später noch einmal« zu hören bekommen.
Hartinger wollte seine nächste wichtige Erledigung hinter sich bringen, bevor Albert kam. Er zog sein Vokabelheft aus der Tasche und notierte fünfundsechzig Kilometer auf dem Rad in die Spalte » Sport«. Die Spalte » LowCarb « musste leider leer bleiben, zu oft hatte er an diesem Tag Kohlenhydrate zu sich genommen, die in die Spalte »Carb« mit »Semmeln, Spaghetti Pomod., Kässpatzen« eingetragen wurden. Allerdings konnte er in der Rubrik »Drogen« mit gutem Gewissen sein Häkchen für »Nicht geraucht, keinen Schnaps« setzen. In der Hoffnung auf Kathis Barmherzigkeit fügte er schon einmal »2 Halbe Weiß« hinzu.
Das arabische Handy klingelte.
»Du?«, staunte Hartinger.
»Ich«, bestätigte Weißhaupt. »Was ist das für eine exotische Nummer? Verbrenne ich gerade meine Rente?«
»Deine Handyrechnung zahlt doch eh der Verlag«, beruhigte ihn Hartinger.
»Denk dir, hinter wem die bayerische Polizei her ist wie der Teufel hinter der armen Seele.«
»Hm. Bestimmt hinter einem gut aussehenden Anfangsvierziger.«
»In der Tat. Und rate mal, was so ein Hecht macht in seiner freien Zeit? Er bringt einen Mönch um, radelt am nächsten Tag kreuz und quer durch das Oberland, setzt sich in Internetcafes und schreibt Meldungen, bevor er mit einem gelben Fahrrad in Richtung Jachenau verschwindet. Zwischendrin hinterlässt er auch gern ein Handyladegerät in einer Pizzeria. Mit Fingerabdrücken drauf. Man will es den geplagten und unterbezahlten Staatsdienern ja nicht allzu schwer machen.«
»Und wo stehen solche Märchen?«
»In den Fahndungsprotokollen der Zielfahnder des Bayerischen LKA, du Froschkönig. Und wenn ich mich nicht täusche, kriegen sie den gut aussehenden verzauberten Prinzen auch bald. Sie fragen jedes Verkehrsschild nach seinem Verbleib.«
»Und dir schicken sie ihre Protokolle zum Abzeichnen?« Hartinger wusste genau, dass Weißhaupt auf die allerbesten Quellen in sämtlichen Behörden des Freistaats zurückgreifen konnte.
»Schon recht, Hartinger. Werd auch noch frech.«
»Sie haben mich also auf dem Radar. Oder darauf gehabt heute Nachmittag«, fasste Hartinger zusammen. »Jetzt haben sie mich aber sicher verloren, sonst wären sie schon da. Heute Abend passiert nichts mehr.«
»So so, hast du wieder mal ein kuscheliges Platzerl gefunden. Sag jetzt nichts, ich will‘s gar nicht wissen. In jedem Hafen und hinter jedem Berg eine Braut, der Herr Hartinger.«
Natürlich verriet Hartinger nicht seinen aktuellen Aufenthaltsort. Was Weißhaupt nicht wusste, konnte er auch nicht aus Versehen ausplaudern.
»Was gibt‘s sonst da draußen?«, wollte Hartinger wissen.
»Eigentlich nichts weiter. Sie konzentrieren sich auf dich. Du bist der ideale Täter, haben sie sich überlegt. Sie haben ein
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