Josefibichl
Hassfächern Mathematik und Physik nicht für eine Vier gereicht hatte. Das Lehrerkollegium hatte in der Notenkonferenz beschlossen, die Bemerkung »Der Übertritt ins Berufsleben wird empfohlen« ins Zeugnis zu schreiben. Hartinger blieb und machte drei Jahre später ein passables Abitur.
Beim zweiten Mal, als Albert Frey das Leben von Gonzo Hartinger entscheidend beeinflusst hatte, war die Sache komplizierter gewesen. Albert Freys Schwester Hilde hatte in den Mittererhof auf Graseck eingeheiratet. Albert hatte das einzige Kind dieser Ehe, seine Nichte Katharina, immer gefördert und wie auf eine kranke Kuh auf seinen Schwager Karl eingeredet, sie aufs Gymnasium gehen und Abitur machen zu lassen. Sehr früh hatte Albert ihr sprachliches Talent entdeckt und ihr dringend geraten, nach dem Abitur nicht das vorgezeichnete Leben einer Bergbäuerin zu führen, sondern es wenigstens einmal an der Universität und mit Journalismuspraktika zu versuchen. Sehr gern hätte er, der kinderlose Lehrer, in ihr sein eigenes verpasstes Leben als Journalist gelebt gesehen. Er hatte nicht ahnen können, dass Kathis erstes Praktikum sie in die Nähe seines gut zehn Jahre älteren Exschülers Karl-Heinz Hartinger führen würde. Geschweige denn, dass die beiden miteinander etwas anfangen würden. Und erst recht nicht, dass Kathi schwanger werden und Hartinger sie nicht heiraten würde. Alles das hatte Onkel Albert natürlich nicht im Sinn gehabt.
Nun war es so geschehen, und seine Nichte hatte sich nicht alleinerziehend durchs Großstadtleben schlagen oder sich einen anderen Mann suchen wollen. So war sie schwanger und resigniert an den elterlichen Hof zurückgekehrt und zog dort den aus der Mesalliance entstandenen Buben allein auf.
Seit ihre Eltern wenige Jahre später kurz nacheinander gestorben waren, lebte Kathi ganz allein dort oben von der Schafwirtschaft und der Unterstützung, die Albert ihr zukommen ließ. Sein schlechtes Gewissen der Kathi gegenüber war fast so groß wie sein Groll auf diesen Hartinger. Außer ihm wusste jedoch kaum jemand, vielleicht eine oder höchstens zwei allerbeste Freundinnen der Kathi, wer der Kindsvater war. Ihren Eltern hatte sie es nie erzählt.
Einmal, kurz nach der Geburt des Buben, war Albert Frey nach München gefahren und hatte vor der Wohnung des Schufts eine halbe Nacht im Auto verbracht, weil er ihn zur Rede stellen und ihm am liebsten eine Abreibung verpassen wollte. Als Hartinger um drei Uhr morgens mit einer Blonden aus dem Taxi stieg und nur mit Mühe den Schlüssel ins Schloss der Haustüre bekam, hatte Albert Frey aber keine Lust mehr auf eine weitere unwürdige Szene. Er drehte den Schlüssel des beigen Audi 80 nach rechts und fuhr nach Hause.
Auf diesen Mann wartete Gonzo Hartinger also nun schon seit einer guten Stunde. Kurz vor acht knarrte die alte Stiege, die auf den Dachboden führte.
Lex Peininger und Susi Weinzierl konzentrierten ihre Recherchen nicht nur auf das Umfeld des Toten, sondern nahmen sich auch die Vita des Hauptverdächtigen Karl-Heinz Hartinger vor. Die Tatsache, dass der Gesuchte ein ihnen bekannter Kollege war, führte bei ihnen nicht zu irgendwelchen Hemmungen. Im Gegenteil, sie wollten über Gonzo Hartinger so viel erfahren wie irgend möglich.
Viel konnten sie an diesem Tag nicht liefern, um wieder auf die Titelseite ihres rot gefärbten Blattes zu kommen, zumindest in den südlichen Ausgaben davon. Daher nahmen sie dankbar den Hinweis des Bürgermeisters Meier auf, es könne sich bei dem Täter auch um eine Frau handeln, und würzten ihren Artikel mit ein paar klassischen Vorurteilen über das Leben der katholischen Geistlichen im Allgemeinen und eines Mönchs im Speziellen.
Susi Weinzierl hatte das Kloster St. Anton am Nachmittag, soweit es ging, innen und außen fotografiert. Die Votivtafeln im Treppenaufgang zur Kirche mit den Vermisstenmeldungen aus den beiden großen Kriegen des vergangenen Jahrhunderts lieferten genug herzzerreißende Fotos von verzweifelten Frauenschicksalen, die Lex Peininger geschickt in seine gedruckte Spekulation mit dem verkaufsträchtigen Titel »Mord-Kloster St. Anton: Die Sehnsüchte der Frauen« verwob.
Das Ganze zusammenzuschreiben und per Internet im Redaktionssystem abzuliefern dauerte kaum eine Dreiviertelstunde. Um fünf Uhr nachmittags gingen die beiden wieder daran, die Schulfreunde und sonstigen Bekannten von Karl-Heinz Hartinger ausfindig zu machen und zu interviewen. Allzu viele fanden sie nicht, denn gute
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