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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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    »Nichts verstehst du«, erkannte Frey. »Aber das macht nichts, denn ich verstehe es ja auch noch nicht. Vor allem verstehe ich nicht, wie die Liste der Zwangsenteigneten auf den Computer des Mönchs kommt. Diese Akten sind nämlich – wie auch die über die sogenannte › Arisierung ‹ jüdischen Eigentums nach 38 – in den Archiven unter Verschluss. Er muss eine verdammt gute Quelle gehabt haben oder hat sich im Marktarchiv besser ausgekannt als ich.« Dass Albert Frey Letzteres für äußerst unwahrscheinlich hielt, musste er nicht erwähnen.
    Er setzte sich wieder vor den Rechner, klickte ein wenig in den Verzeichnissen herum, winkte dann Hartinger zu sich und deutete auf den Bildschirm.
    »Jetzt sieh dir einmal das Grundstück von dem armen Josef Wagner an. Das hier ist eine Flurkarte von 34. Schau: Eine ziemlich große, aber damals eigentlich wertlose Wiese unterhalb des Kochelbergs hat der Wagner besessen. Dort, wo die beiden Bahnlinien nach Mittenwald und Ehrwald auseinandergehen. Ich versteh nicht, was der oder die, die den rechtmäßigen Besitzer aus dem Weg haben räumen lassen, mit dem Grund anfangen wollten.«
    »Wer hat denn das Grundstück erworben?«
    »Du wirst lachen, das steht tatsächlich auch auf einer Liste, die ich für uneinsehbar oder entsorgt gehalten habe. Ein Verwaltungsbeamter der Marktgemeinde, der Leiter des Einwohnermeldeamts, hat damals von der Gemeinde dem Josef Wagner seine Wiese gekauft, als der entmündigt und enteignet worden war. Wahrscheinlich hat er seine Ersparnisse zusammengekratzt und die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Er wollte eben vom Gemeindeschreiber zum Grundbesitzer aufsteigen. Das ist der einzige Grund, der mir einfiele. Denn mit der Wiese konnte er eigentlich nichts anfangen. Billiger zu einem Sachl kommen konnte er aber nie vorher oder nachher. Und in seiner Position hat er natürlich genau gewusst, wer da gerade enteignet und wo welches Sachl frei wurde.«
    »Jetzt kommen wir dem Kern aber doch näher«, schloss Hartinger aus dem Bericht Albert Freys. »Der tote Mönch hatte brisantes Material gefunden, das eigentlich im Marktarchiv unter Verschluss gehalten wurde. Und das den unrechtmäßigen Erwerb eines Grundstückes nachweist. Wie hieß denn der Leiter des Einwohnermeldeamts 34?«
    Frey blätterte in einem Stapel Papier. »Max Huber. Übrigens, so heißt auch der aktuelle. Ist sein Enkel. Du müsstest ihn kennen. Ist ungefähr dein Jahrgang und war auch bis zur mittleren Reife auf unserer Schule.«
    Hartinger stand auf, ging drei Schritte zum kleinen Dachfenster und sog seine Lunge voll frischer Luft, um besser nachdenken zu können.
    Dann starrte er hinaus in die Nacht. Die war noch schwarz, aber bald würde drüben über dem Wetterstein der Morgen grauen.
    Plötzlich traf es ihn wie der Schlag. Max Huber war ihm an diesem Tag begegnet. Ja, jetzt, wo er den Namen hörte, brachte er ihn mit dem zugehörigen Gesicht zusammen. Mit dem Gesicht des Mountainbikers, der ihm am späten Abend in der Partnachklamm entgegengekommen war. Max Huber, der Enkel des damaligen Enteignungsgewinnlers, war an diesem Tag in unmittelbarer Nähe des Grasecker Mitterhofes gewesen.
    Hatte er Hartinger in der Klamm gesehen? Womöglich erkannt? Und: War er vielleicht auf der Suche nach ihm gewesen? Wusste er von Kathi und dem Buben? Der Leiter des Einwohnermeldeamtes hatte sicher seine Quellen, auch wenn nichts in den offiziellen Papieren stand.
    Hartinger stürzte wieder zurück zum Bett und besah sich den Scan der alten Flurkarte auf dem Bildschirm des Laptops. Damals war das Grundstück, das Hubers Großvater erworben hatte, weit weg von beiden Ortsteilen gewesen. Mittlerweile war die Doppelgemeinde zusammengewachsen. Das Grundstück lag selbstverständlich immer noch zwischen den beiden Bahngleisen, von denen das eine nach Nordosten in Richtung Mittenwald den Bahnhof verließ und das andere nach Ehrwald in südwestlicher Richtung.
    Durch das Wachstum des Ortes war Hubers Land sozusagen in die Mitte der Ortsteile gerutscht und heutzutage ein Gebiet, das förmlich nach Erschließung und Entwicklung schrie. Eigentlich war es nur Grasland im Außenbereich, ohne einen besonderen Wert. Das hatte sich bis heute nicht geändert.
    »Hätte sich nicht geändert«, dachte Hartinger laut weiter, »doch jetzt sollen hier dieses Snow Village und diese dämliche touristische Sonderzone entstehen. Der Huber Max wird durch Olympia zum Multimillionär. Das will er sich bestimmt

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