Joseph Anton
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Binnen kurzer Zeit war Christopher neben Andrew zu seinem engagiertesten Freund und Verbündeten in den USA geworden. Wenige Tage darauf rief er an, um zu sagen, John Shattuck vom Außenministerum habe eine inoffizielle Gruppe mit ihm, Hitch, Scott Armstrong vom Freedom Forum und vielleicht Andrew Wylie angeregt, um die Reaktion der USA ›voranzubringen‹. Hitch hatte bei einem Empfang mit Stephanopoulos im Beisein von Zuhörern gesprochen, und George hatte voller Nachdruck gesagt: »Wir bleiben beim ersten Statement; ich hoffe, Sie glauben nicht, wir nähmen irgendetwas zurück.« Eine Woche später schrieb er in einem Fax – ach ja, die gute alte Zeit der Faxe! – vom ›überwältigend‹ guten Treffen mit dem neuen Chef der Antiterroreinheit, Botschafter Robert Gelbard, der die Sache in verschiedenen G7-Foren zur Sprache brachte, jedoch bei den Japanern und – sieh an! – bei den Briten auf ›Zurückhaltung‹ stieß. Gelbard versprach, das Fluglinien-Thema mit der Federal Aviation Authority zu besprechen, der neue Sicherheitschef Admiral Flynn sei ein ›Kumpel‹ von ihm. Christopher wusste auch zu berichten, Clinton habe jemandem gegenüber geäußert, er hätte gern mehr Zeit mit dem Autor von Die satanischen Verse verbracht, doch leider sei Rushdie ›sehr in Eile‹ gewesen. Das sei doch komisch und zeige, wie froh er über das Treffen sei. Tony Lake erzählte allen, für ihn sei das Treffen einer der Höhepunkte des Jahres gewesen. Scott Armstrong würde sich ebenfalls ins Zeug legen. Keiner von beiden war von Frances und Carmel angetan, und das war besorgniserregend und sollte schon bald zu einer Krise führen.
In The Guardian erschien ein Bericht über die Washingtoner Ereignisse, in dem sowohl Scott Armstrong als auch Christopher Hitchens ihre Bedenken über Frances’ und Carmels Nutzen in der Sache zum Ausdruck brachten. »Damit haben sie der Arbeit von Artikel 19 in den USA schwer geschadet«, sagte Frances ehrlich erzürnt am Telefon. »Ohne dein stillschweigendes Einverständnis hätten Armstrong und Hitchens so etwas nie gesagt.« Er versuchte ihr begreiflich zu machen, er habe gar keine Ahnung gehabt, dass so ein Artikel überhaupt in der Mache war, doch sie erwiderte: »Ich bin sicher, dass du hinter all dem steckst«, weshalb die MacArthur Foundation ihnen jetzt womöglich lebenswichtige Zuschüsse streichen würde. Er holte tief Luft, schrieb einen Brief an The Guardian, um Frances und Carmel zu verteidigen, und rief MacArthur unter vier Augen an. MacArthur sagte nicht zu Unrecht, die Hälfte von Frances’ Budget stamme von ihm. Die Stiftung habe es sich zur Aufgabe gemacht, Organisationen dahingehend zu fördern, dass sie »ihre Fördermittel geschickt einsetzten«, und das bedeutete, sich in den USA einen Namen zu machen. Es sei Frances’ Schuld, wenn es nicht gelungen sei, deutlich zu machen, dass Artikel 19 im »wichtigsten Menschenrechtsfall der Welt« eine führende Rolle spiele. Er redete so lange auf Rick ein, bis der ihm versprach, fürs Erste keine Kürzungen vorzunehmen.
Wütend auf sich selbst, legte er auf. Er hatte Frances ins Weiße Haus mitgenommen und die Arbeit von Artikel 19 bei sämtlichen Pressekonferenzen gelobt und fühlte sich zu Unrecht beschuldigt. Das Fax von Carmel Bedford, das folgte – »Hat es überhaupt Sinn, weiterzumachen, solange wir den Schaden, den diese Egoisten angerichtet haben, nicht wiedergutmachen können?« –, machte alles nur noch schlimmer. Er faxte Frances und Carmel, was er von ihren Anschuldigungen hielt. Das vertrauliche Telefonat mit Rick MacArthur und dessen Ergebnis ließ er unerwähnt. Wenige Tage später änderte Carmel ihren Ton und schickte ihm beschwichtigende Faxe, doch von Frances kam nichts. Wie Achilles saß sie schmollend in ihrem Zelt. Der Schock ob ihrer Vorwürfe blieb.
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Die legendäre, allmächtige spanische Literaturagentin Carmen Balcells rief Andrew Wylie aus Barcelona an, um ihm zu sagen, der große Gabriel García Márquez schreibe an »einer romanhaften Darstellung, die sich an Mr Rushdies Leben anlehnt«. Es würde, fügte sie hinzu, »ausschließlich aus der Feder des Autors stammen, eines sehr be kannten Schriftsteller«. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sollte er sich geschmeichelt fühlen? Er war es nicht. Sollte er jetzt zu anderer Leute ›romanhafter Darstellung‹ werden? Im umgekehrten Fall würde er sich nicht berechtigt fühlen, sich zwischen einen anderen Schriftsteller und dessen
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