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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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fünfzig Kilo leichter und hätte am liebsten gesungen. Zafar und Elizabeth erwarteten ihn in Andrews Wohnung, und am Abend kamen Paul Auster und Siri Hustvedt, Susan Sontag und David Rieff vorbei und konnten es kaum fassen, ihn ohne Fesseln zu sehen. Mit Elizabeth, Zafar und Andrew Wylie unternahm er einen Hubschrauberrundflug über die Stadt, und die ganze Zeit über schrien Elizabeth und Andrew vor Angst, Andrew leise und Elizabeth laut. Danach mieteten sie bei Hertz ein Auto. Während das blonde Hertz-Mädchen seinen Namen tippte, zeigte sich in seinem rosigen Mondgesicht keinerlei Regung. Und dann hatten sie ein eigenes Lincoln Town Car! Er kam sich vor wie ein Kind, dem man den Schlüssel zum Spielzeugladen gegeben hatte. Sie gingen mit Jay McInerney und Erroll McDonald von Random House essen. Alles fühlte sich wahnsinnig aufregend an. Willie Nelson war da! Und Matthew Modine! Der Oberkellner machte ein besorgtes Gesicht, aber was sollte es. Zafar, inzwischen fünfzehn, zeigte sich von seiner besten Erwachsenenseite. Jay behandelte ihn wie einen Mann und plauderte mit ihm über Mädchen, und Zafar war beglückt. Er ging mit einem Grinsen ins Bett und wachte am nächsten Morgen wieder damit auf.
    Sie fuhren zu Michael und Valerie Herr nach Cazenovia. Zwar hatten sie eine genaue Wegbeschreibung bekommen, doch ehe sie losfuhren, rief er Michael sicherheitshalber noch einmal an. »Mir ist nur noch nicht ganz klar, wie man aus New York rauskommt«, sagte er. »Tja, Salman, darüber zerbrechen sich die New Yorker schon seit Jahren den Kopf«, gab Michael schlagfertig zurück.
    Jeder Moment war ein Geschenk. Die Fahrt über den Highway fühlte sich an wie eine Reise durchs All, vorbei am Albany-Sternhaufen und dem Schenectady-Nebel zur Syracuse-Konstellation. In Chitten ango, das sich in einen Zauberer-von-Oz-Themenpark verwandelt hatte, legten sie eine Pause ein: gelbe Zigelsteinwege, Tante-Emmy-Café – entsetzlich. Sie fuhren weiter nach Cazenovia, und dann stand Michael vor ihnen, blinzelte sie durch seine kleinen, dicken Brillengläser an und grinste sein schiefes, spöttisches Grinsen, und Valerie strahlte. Die Töchter der Herrs waren zu Hause, und es gab einen Corgi namens Pablo, der ihm sofort den Kopf in den Schoß legte und sich nicht mehr wegbewegte. Hinter dem geräumigen Holzhaus lag ein von Wildnis umgebener Weiher. Im Licht des guten alten Mondes machten sie eine Nachtwanderung. Am nächsten Morgen schwamm ein totes Reh im Weiher.
    Auf dem Weg zum Finger Lake, wo der Schriftsteller Tobias Wolff eine Hütte besaß, lernte er, ›Skaneateles‹ auszusprechen. Sie aßen Fisch in einer Bar, wanderten bis zum Ende des Piers, benahmen sich normal und waren abnorm glücklich. Abends hielten sie bei einer Buchhandlung, wo man ihn sofort erkannte. Michael wurde leicht nervös, doch niemand kümmerte sich weiter um sie. »Morgen mache ich einen Bogen um die Buchhandlung«, versprach er Michael. Am Sonntag blieben sie mit den Herrs zu Hause, Toby Wolff kam zum Mittagessen, und er und Michael tauschten sich über Vietnam aus.
    Die Fahrt zu John Irving nach Vermont dauerte rund drei Stunden. Mittags machten sie bei der Bundesgrenze Rast. Das Restaurant wurde von einem Algerier namens Rouchdy geführt, der sofort ganz aus dem Häuschen war. »Rushdie! Wir haben den gleichen Namen! Ich werde dauernd mit Ihnen verwechselt! Nein, nein, sage ich dann, ich sehe viel besser aus!« (Während eines anderen Amerikaaufenthaltes geriet ein ägyptischer Oberkellner im Harry Cirpiani ähnlich ins Schwärmen. »Rushdie! Ich mag Sie! Dieses Buch, Ihr Buch, ich hab’s gelesen! Rushdie, ich mag Ihr Buch, dieses Buch! Ich komme aus Ägypten! Ägypten! In Ägypten ist dieses Buch verboten! Ihr Buch! Es ist total verboten ! Aber jeder hat’s gelesen!«)
    John und Janet Irving lebten in einem lang gestreckten Haus in den Hügeln oberhalb der Stadt Dorset. »Als ich mit dem Architekten geredet habe, haben wir ein paar Servietten aneinandergelegt und gesagt, bau es doch so, und er hat’s gemacht«, sagte John. An der Wand hing eine gerahmte Bestsellerliste der New York Times , auf der Die satanischen Verse einen Platz vor Johns Buch lagen. Es gab noch mehr gerahmte Bestsellerlisten, und auf allen stand John an erster Stelle. Zum Abendessen kamen Schriftsteller aus der Nachbarschaft, und es wurde lauthals debattiert und reichlich getrunken. Er erinnerte sich, dass er bei ihrer ersten Begegnung so kühn gewesen war, John zu fragen:

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