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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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»Weshalb all die Bären in Ihren Büchern? Haben Bären in Ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt?« Nein, hatte John geantwortet, mit Bären sei er jetzt eh durch – das war nach Hotel New Hampshire . Er schreibe gerade das Buch für ein Ballett von Baryschnikow, allerdings gebe es da ein Problem. – »Was für eins?« – »Baryschnikow will das Bärenkostüm nicht anziehen.«
    Sie besuchten eine State Fair und versagten schmählich, als sie das Gewicht eines Schweins schätzen sollten. Schweine , sagte er. Hinreißend , antwortete Elizabeth. Sie blickten einander an und konnten kaum fassen, dass das alles wirklich passierte. Nach zwei Tagen bestieg er mit Elizabeth und Zafar wieder das Lincoln Town Car und fuhr nach New London, um mit der Fähre nach Orient Point und North Fork auf Long Island überzusetzen. Als die Fähre New London verließ, lief ein riesiges schwarzes Atom-U-Boot wie ein verirrter Wal in den Hafen ein. Abends erreichten sie Andrews Haus in Water Mill. Die einfachsten Dinge ließen sie fast in Verzückung geraten. Er und Zafar tobten in Andrews Pool herum, und selten hatte er seinen halbwüchsigen Sohn so glücklich gesehen. Auf Rollerblades sauste Zafar die laubbedeckten Straßen entlang, und er fuhr mit einem geliehenen Rad hinterher. Sie gingen an den Strand. In einem Restaurant bekamen Zafar und Andrews Tochter Erica ein Autogramm von Chevy Chase. Elizabeth kaufte sich Sommerkleider in Southampton. Dann war der Zauber vorüber, und es war Zeit, zurückzufliegen. Elizabeth und Zafar flogen mit einer der vielen Fluglinien, die für ihn verboten waren. Er flog nach Oslo und stieg um. Das machen wir wieder, und zwar sehr viel länger, schwor er sich. Für ein paar wertvolle Tage hatte Amerika ihm seine Freiheit zurückgegeben. Es gab keine betörendere Droge, und wie jeder Abhängige wollte er sofort mehr.
    *
    Sein neuer Kontaktmann im Auswärtigen Amt war ein Arabist namens Andrew Green, doch als Green ihm ein Treffen vorschlug, lehnten er und Frances ab, da Green nichts Neues zu vermelden hatte. »Ist Salman sehr deprimiert? Ist das eine durchdachte oder eine emotio nale Reaktion?«, fragte Green Frances. Nein, Mr Green, er ist nicht deprimiert, er ist es einfach nur leid, verschaukelt zu werden.
    Frances hatte an Klaus Kinkel geschrieben, der die EU -Ratspräsidentschaft übernommen hatte. Kinkels Antwort war eisern. Nein, nein und nochmals nein. Der neue Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte war ein Mitglied der konservativen CDU , was ebenfalls eine schlechte Nachricht war. Manchmal konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Deutschen machten dem Iran in Europa den Büttel. Sie hatten ihre Besen gezückt, um ihn wieder einmal unter den Teppich zu kehren.
    Seine neun Erzählungen kamen gut an. Michael Dibdin von The Independent on Sunday schrieb, dieses Buch bringe ihm größere Sympathien ein als alle Reden und Erklärungen zusammen, und das klang richtig so. Dann blubberte Cat Stevens – Yusuf Islam – mit seinem Geschwätz in The Guardian an die Oberfläche wie ein Furz in der Badewanne und verlangte erneut, Rushdie müsse sein Buch zurücknehmen und ›bereuen‹, und seine Unterstützung für die Fatwastehe im Einklang mit den zehn Geboten. (Jahre später sollte er behaupten, so etwas nie gesagt zu haben, er habe nie irgendjemandes Tod gefordert und das mit dem ›Gesetz‹ seiner Religion gerechtfertigt, habe sich nie im Fernsehen oder in der Presse zu Wort gemeldet, um seinen unverschämten, blutrünstigen Müll von sich zu geben, wohl wissend, dass er in einem Zeitalter ohne Gedächtnis lebte. Stritt man etwas nur oft genug ab, wurde daraus eine neue Wahrheit, die die alte verdrängte.)
    Dick Woods neuer Handlanger Rab Connolly, ein scharfsinniger, hitziger Rothaariger, der in seiner Freizeit einen Studiengang in postkolonialer Literatur absolvierte, rief aufgeregt wegen einer Karikatur in The Guardian an, die ein ›Unternehmensnetzwerk‹ zeige, dessen Linien Mr Anton mit Alan Yentob, Melvyn Bragg, Ian McEwan, Martin Amis, Richard und Ruthie Rogers und dem River Café in Verbindung bringe. »All diese Leute gehen bei Ihnen ein und aus, und das könnte die verdeckte Überwachung gefährden.« Er gab zurück, die Londoner Medien wüssten schon lange, mit wem er befreundet sei, dies sei nichts Neues, und nach einer Weile willigte Connolly ein, dass seine Freunde ihn trotz der Karikatur auch weiterhin besuchen durften. Manchmal hatte er das Gefühl, in

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