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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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anstand, begann er allmählich, den Standpunkt seines Vaters zu verstehen. Jugendlicher Kummer gab im Haus in der Acfold Road so manches Mal den Ton an. Sameen hatte eine unglückliche Affäre mit Stephen Brandon, einem seiner Collegefreunde, und als die Beziehung in die Brüche ging, zog seine Schwester aus und kehrte nach Hause zurück. Dafür zog eine junge Frau namens Fiona Arden ein, die er eines Abends halb bewusstlos am Fuße der Treppe fand. Sie hatte Schlaftabletten geschluckt, umklammerte seine Hand und wollte ihn nicht loslassen, also fuhr er mit ihr in die Notaufnahme eines Krankenhauses, wo man ihr den Magen auspumpte und das Leben rettete. Kurz darauf ließ er die Dachkammer hinter sich und tingelte durch Chelsea und Earls Court von Wohngemeinschaft zu Wohngemeinschaft. Erst vierzig Jahre später hörte er wieder von Fiona. Sie saß als Baroness im House of Lords und hatte es in der Geschäftswelt zu hohem Ansehen gebracht. Die Jugend ist oft elend, die Mühen der Selbstwerdung können einen fast zerreißen, doch manchmal beginnen nach einer schweren Zeit auch bessere Tage.
    Kaum war er aus der Acfold Road ausgezogen, setzte ein verstörter Junge das Haus in Brand.
    Dusty Hughes bekam eine Stelle als Werbetexter bei der Agentur J. Walter Thompson am Berkeley Square. Von einem Tag auf den an deren verfügte er über ein ausreichendes Einkommen und machte Shampoowerbung mit hübschen blonden Models. »Solltest du auch tun«, riet ihm Dusty, »ist ganz einfach.« Er meldete sich bei J. Walter Thompson für den ›Werbetest‹ an, der unter Examensbedingungen im Agenturbüro abgehalten wurde, schrieb einen Werbetext für After-Eight-Schokolade, ein Jingle für das Anlegen von Sicherheitsgurten im Auto zur Melodie von Chuck Berrys ›No Particular Place to Go‹ und versuchte, wie verlangt, einem Besucher vom Mars in weniger als hundert Worten zu erklären, was Brot war, auch, wie man eine Scheibe Toast herstellte – und scheiterte. Nach Ansicht des mächtigen JWT hatte er nicht das Zeug zum Texter. Letztlich bekam er eine Anstellung in einer kleinen, nicht ganz so renommierten Agentur namens Sharp MacManus in der Albemarle Street, und sein Arbeitsleben begann. Am ersten Tag wurde er aufgefordert, eine Anzeige für eine Coupon-Zeitschrift zu verfassen, die zu Weihnachten Zigarren in roten Böllern anbot. Sein Kopf war leer. Schließlich beugte sich der freundliche ›creative director‹ Oliver Knox, aus dem später ein vielgelobter Schriftsteller werden sollte, über seine Schulter und flüsterte: »Fünf zündende Ideen von Players lassen es zu Weihnachten richtig knallen.« Ach , dachte er und kam sich blöd vor, so geht das .
    Bei Sharp’s teilte er sich ein Büro mit Fay Coventry, einer großen, dunkelhaarigen Schönheit, die mit Tom Maschler ausging, dem Verleger bei Jonathan Cape. Jeden Montag erzählte sie ihm Geschichten von den Wochenenden mit ihren amüsanten Freunden, mit ›Arnold‹ (Wesker), ›Harold‹ (Pinter) und ›John‹ (Fowles). Wie wunderbar diese Geschichten waren, was sie für einen Spaß gehabt hatten! Neid, Verbitterung, Sehnsucht und Verzweiflung tobten im Herzen des jungen Werbetexters. Da war sie, die Welt der Literatur, so nah und doch so schrecklich weit fort. Als Fay kündigte, um Maschler zu heiraten und später dann eine angesehene Restaurantkritikerin zu werden, war er fast erleichtert, dass die literarische Welt, in die sie ihm solch quälende Einblicke gewährt hatte, ein Stück weiter von ihm fortgerückt war.
    Im Juni 1968 hatte er sein Studium abgeschlossen. Mitternachtskinder erschien im April 1981. Er brauchte fast dreizehn Jahre, nur um anzufangen. In dieser Zeit schrieb er unerträgliche Mengen Müll. Einen Roman gab es, ›The Book of the Peer‹, der hätte gut sein können, wenn er ihn zu schreiben verstanden hätte. Es ging um die Geschichte eines heiligen Mannes, eines pir oder peer , in einem Land wie Pakistan, ein Mann, der von drei anderen Männern benutzt wurde, einem Armeeoffizier, einem führenden Politiker und einem Kapitalisten, für die er einen Umsturz herbeiführen sollte, um danach, wie sie glaubten, nur die Galionsfigur abzugeben, während sie selbst die eigentliche Macht ausübten; doch zeigte sich, dass der Mann fähiger und skrupelloser als seine Förderer war, die bald begreifen mussten, dass sie ein Ungeheuer losgelassen hatten, das sie nicht mehr kontrollieren konnten. Er schrieb die Geschichte, viele Jahre bevor Ayatollah Khomeini die

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