Joseph Anton
und die meisten hießen sie gut. Wenn er ihr erzählte, was sie gesagt hatten, interessierten sie die positiven Äußerungen über ihren Charakter weniger als die Bemerkung über ihre perfekten Brüste. Der französische Playboy hatte Nacktfotos von ihr aufgetrieben, von denen er eines auf dem Titel brachte und sie seine ›fiancée‹ nannte. Sie störte sich weder an der Bezeichnung noch an dem Coverfoto, doch sie wollte Geld dafür sehen, und er musste einen französischen Anwalt anheuern, der sich darum kümmern sollte. Das mache ich also jetzt , dachte er befremdet. Meine Freundin ist splitternackt auf dem Playboy -Cover, und ich handle die Tantiemen aus.
Ihre Mutter rief schluchzend an, sie stecke in einer tiefen Ehekrise. Sie wollte sich von ihrem Mann, Padmas Stiefvater, trennen. »Dann soll sie hierherkommen und bei uns wohnen«, sagte er sofort. »Das war der Tag, an dem ich wusste, dass ich dich liebe«, sagte Padma später. »Als du dich sofort bereit erklärt hast, dich um meine Mum zu kümmern.« Ja, sie liebten sich. Jahrelang war es ihm als großartige Liebesbeziehung, als glühende Leidenschaft erschienen, und gewiss hatte sie genauso empfunden. Es mochte unstet und vielleicht dem Tode geweiht sein; aber während es passierte, erschien es ihm nicht illusorisch. Es erschien ihm wahrhaftig.
Zafar kam nach New York und lernte sie kennen. Er möge sie, sagte er, aber es sei komisch, dass sie näher an seiner Generation sei als an der seines Vater. »Seltsame Kombi, der Intellektuelle und das Model«, sagte er. Doch er meinte, sie sei »sehr nett« und »wenn es das ist, was du willst, stehe ich dahinter«. Natürlich sah er wie jeder andere auch, wie wichtig seinem Vater das neue, unbewachte Leben in New York war, von dem es kein Zurück mehr gab.
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Diesen Sommer wollte er nicht in den Little Noyac Path zurückkehren. Dafür bot ihm Joseph Hellers Witwe Valerie ihr Haus in der Skimhampton Road an der Grenze zwischen East Hampton und Amagansett an. Sie war nach Italien eingeladen worden und brauchte Abwechslung. »Ich habe es noch nicht aufgeräumt, Joes Anziehsachen sind noch in den Schränken, und deshalb möchte ich, dass jemand im Haus ist, den ich kenne. Die Vorstellung, an Joseph Hellers Schreibtisch zu arbeiten, war aufregend und verstörend zugleich. »Seine Hemden müssten dir passen«, sagte Valerie. »Wenn dir irgendwas gefällt, kannst du es gern tragen.« Nein , dachte er. Das ginge zu weit. Nein, danke.
Er war viel allein, weil Padma in einem Film von Mariah Carey mitspielte, der in Toronto gedreht wurde, und am Ende des Sommers war sein Entwurf von Wut fertig. Als er in die Stadt zurückkehrte und ihn der Frau gab, mit der er ein neues Leben aufzubauen versuchte, hatte sie so gut wie nichts dazu zu sagen außer, dass die Hauptfigur aussah wie sie. Na schön , dachte er, man kann nicht alles haben. Er legte das Manuskript beiseite, und sie gingen aus. »Ich muss sagen, ich habe wirklich Spaß«, schoss es ihm in den frühesten Morgenstunden durch den Kopf. »Und das, liebe Leute«, schrieb er in sein Tagebuch, »steht mir auch zu.«
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Es gab unglaubliche Neuigkeiten. Die britischen Geheimdienste hatten die Gefahreneinschätzung endlich doch noch herabgestuft. Er war nicht mehr auf Stufe zwei, sondern lediglich auf Stufe drei, was einen riesigen Schritt in Richtung Normalität bedeutete, und wenn es weiterhin gut lief, meinten sie, könnte er in rund sechs Monaten auf Stufe vier sein. Niemand auf Stufe vier erhielt Personenschutz durch den Special Branch, und wenn das wirklich eintreten würde, konnten sie es ebenso gut seinlassen. Er sagte: »Ist das nicht jetzt schon ein bisschen übervorsichtig? In Amerika pfeife ich Taxis ran, nehme die U-Bahn, besuche Baseballspiele und picknicke im Park. Dann komme ich nach London zurück und muss wieder in diesem kugelsicheren Auto sitzen.« Wir handhaben es nun mal so, sagten sie. Ruhig und langsam. Wir machen das schon zu lange, als dass uns jetzt noch ein Fehler unterlaufen soll.
Stufe drei! Sein Instinkt hatte also recht gehabt. Er hatte allen zu zeigen versucht, dass er sein Leben wieder in die Hand nehmen konnte, und einige Freunde meinten, das wäre verrückt; Isabel Fonseca hatte ihm lange besorgte E-Mails geschrieben und meinte, wenn er jetzt nicht ›Vernunft annehme‹ und Bodyguards einstelle, wäre das ›Offensichtliche unvermeidlich‹. Doch nun, ganz langsam, zu langsam für seinen Geschmack, ließ das Netz der Sicherheitswelt
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