Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
er seines Versprechens enthoben, vor Lucia, vor sich selber, vor den Göttern. Und was Lucia selber anlangt, so wird er, was sie da gegen ihn unternommen hat, nicht vergessen, aber er wird die Regelung dieser Sache zurückstellen. Lucia ist nun einmal, wie sie ist, sie trägt in einem gewissen Sinne keine Verantwortung. Eher bereitete das Bewußtsein, sie zu schonen und in seinem Innern jederzeit Argumente gegen sie vorrätig zu haben, ihm eine gewisse Freude. Er wird ihr nicht einmal sagen, was er von ihr weiß. Er wird diese ganze Angelegenheit in seinem Busen bewahren. Niemand soll wissen, wie er, der Gott, betrogen worden ist von diesen dreien, von Lucia, von Domitilla, von dem Knaben Matthias, betrogen und verraten, er, der sehr Gütige, sehr Großmütige. Es genügt, daß es der Blinde weiß. Er hat sehr viel übrig für den Blinden. Eigentlich sind Lucia und der Blinde die einzigen Menschen, an denen ihm liegt. Mag sich also Lucia weiter ihrer falschen, unbegründeten, naiven Freude hingeben darüber, daß sie ihn hineingelegt hat; in Wahrheit wird er sie hineinlegen. Und mag sich der Blinde, der, ein sehr treuer Diener, ihn zu großem Dank verpflichtet hat, in seiner Nacht wärmen an dem Gedanken, daß er mit dem Herrn der Welt ein Geheimnis teilt.
Was aber soll er mit den beiden andern anfangen, mit Domitilla und mit dem jungen Menschen, der es unternommen hat, jenes Schriftstück auf die balearische Insel zu schmuggeln? Sie sollen nicht länger in der Welt sein, das ist gewiß, aber ihre Strafe soll heimlich kommen, aus dem Dunkel, und niemand soll die Zusammenhänge übersehen.
Domitilla. Die Verbannte. Sein Vater Vespasian hat sich einmal gegen seinen Willen breitschlagen lassen, einen Verbannten aus seiner Verbannung zurückzurufen; es war Helvid, der Altere, der Vater. Aber Vespasian, ein glücklicher und umsichtiger Mann, wie er war, hat auch da Glück gehabt: bevor noch den Begnadigten die Kunde des Rückrufs erreichte, war er gestorben. Auch er, Domitian, wird wieder einmal erweisen, daß er ein Mann von Glück und Umsicht ist. Er wird Domitilla begnadigen, er wird es groß der Lucia und aller Welt verkünden. Wenn dann die arme Domitilla das Glück nicht mehr erfährt, so ist das ihre Sache, nicht die seine.
Und was den jungen Matthias anlangt, so wird auch den ein dunkles Schicksal erreichen, nicht etwa eine Strafe. Vielleicht wird er, Domitian, dem Josephus darlegen, warum er den Jungen hat erledigen müssen; denn der Gott Jahve und sein Diener sollen nicht denken, daß er sich etwa an dem Jungen ohne Grund und nur aus Feindschaft gegen Jahve vergriffen habe. Aber niemand sonst außer dem Juden Josephus, dem Messalin und ihm selber soll um die Zusammenhänge wissen. Für alle andern soll es ein Unglücksfall sein, der den schönen Pagen der Kaiserin wegrafft.
Die Neptunalien waren kein sehr wichtiges Fest. Nur ein Fürst, der so auf Tradition hielt wie Domitian, konnte sich der Mühsal unterziehen, um dieses Festes willen seine Sommerfrische mit der heißen Stadt zu vertauschen.
Drei Tage leitete der Kaiser die Zeremonien. Dann, für den vierten, berief er den Josef auf den Palatin.
Den traf die Einladung wie ein Schlag. Da der Kaiser so lange gebraucht hatte, die Rache vorzubereiten für jene Rezitation, wie furchtbar wird diese Rache sein. Es wird eine schlimme Stunde werden, Josef wird allen Mut aus den Winkeln seiner Seele zusammenkratzen müssen. Es hat Zeiten gegeben, da er sich seinem Untergang entgegengesehnt, da er heiß gewünscht hatte, durch seinen Tod Zeugnis abzulegen für seine Sache. Jetzt aber aus der Blüte seines Glückes herausgerissen zu werden, davor graute ihm.
Zunächst indes empfing ihn der Kaiser mit heiterer Gelassenheit, er zeigte weder Zorn noch jene gefährliche Liebenswürdigkeit, die alle, die ihn kannten, noch mehr fürchteten als seine Wut. Eher schien er von einer etwas zerstreuten Freundlichkeit.
»Wie geht es Ihrem Matthias?« fragte er dann nach einer Weile. Josef erzählte, die Herrin und Göttin Lucia habe ihn nach Massilia geschickt. »Richtig«, erinnerte sich der Kaiser, »auf der Jacht ›Blaue Möwe‹, Massilia, eine schöne Stadt.« Und er begann wieder von den Merkwürdigkeiten der Stadt zu erzählen, ja er hatte Mühe, nicht in sinnlose Geschwätzigkeit hineinzugeraten wie neulich vor Messalin. »Auf alle Fälle, mein Josephus«, fing er sich ein, »gönn ich es Ihrem Matthias, daß er ein Stückchen Welt zu
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