Josepsson, Aevar Örn
gewaltige Portion Kaltblütigkeit, erst einen Mann umzubringen und dann noch Schweigegelder von anderen zu erpressen.«
»Und vergessen wir nicht die halb volle Ginflasche auf dem Tisch«, fügte Stefán hinzu. »Hätte Úlfur die zurückgelassen? Ich glaube nicht.«
»Aber was ist mit den Fingerabdrücken am Messer?«, fragte Árni.
»Automatische Reaktion?«, schlug Stefán vor. »Er kommt rein, sieht den Alten in seinem Blut, fasst das Messer an und lässt es wieder los. Macht sich aus dem Staub, weil er eine Scheißangst hat, wieder im Knast zu landen, und deswegen ruft er auch nicht die Hundertzwölf an, klar. Allein zu Hause, kein Alibi …«
»Aber wieso hat er die Fingerabdrücke an dem Messer nicht abgewischt?«, beharrte Árni.
»Die erste Reaktion war einfach panisch«, sagte Katrín, »und dann hat er sich nicht mehr in die Wohnung zurückgetraut. Das wäre zumindest eine mögliche Erklärung. Im Grunde genommen ist es aber auch egal, ob er den Kerl erstochen hat oder nicht, es ist in beiden Fällen gleichermaßen idiotisch, Fingerabdrücke an der Mordwaffe zu hinterlassen. Also ich plädiere für Panik, egal, ob er der Täter war oder nicht. Nicht zu vergessen, dass er ganz bestimmt auch ziemlich besoffen war.«
»Und ich erinnere daran, dass die meisten Abdrücke am Messer zwar deutlich erkennbar, aber trotzdem irgendwie verwischt waren, wie der Hund sich ausgedrückt hat«, sagte Stefán. »Was auch bedeuten kann, dass das Heft mit Handschuhen angefasst wurde, nachdem alle anderen ihre Spuren hinterlassen hatten.«
»Und damit wären wir wohl bei einem von den beiden Jesusbrüdern?«, fragte Árni. »Magnús oder Ari?«
»Eher Ari«, sagte Katrín zu Árnis Enttäuschung. Er fand zwar beide unerträglich, aber dem Fernsehdirektor konnte er doch etwas mehr Sympathie entgegenbringen. »Sigurlaug und Viðar begegneten dem Meister auf dem Weg aus dem Haus, und Ólafur war angeblich noch quicklebendig, als sie ihn aufsuchten«, fuhr Katrín fort. »Und wenn wir den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Geir und Friðjón Glauben schenken dürfen, dann können es nicht diese klein gewachsenen Lebensabschnittspartner gewesen sein, die zum Brotmesser gegriffen haben. In Anbetracht dessen, was uns Geir neulich gesagt hat, glaube ich nicht so recht an das, was Ari behauptet. Wie hat Geir sich noch ausgedrückt, es sei ein langes Sterben bei ihm gewesen?«
»Das glaubte er, ja«, musste Árni widerstrebend zugeben. »Aber es muss ja nicht unbedingt bedeuten, dass er …«
»Nein, nein«, unterbrach Katrín ihn. »Ari kann wirklich der Meinung gewesen sein, dass Ólafur tot war. Bedenkt man aber den Zeitrahmen, dann lag wohl kaum mehr als eine halbe Stunde zwischen dem Verlassen der Wohnung von Sigurlaug und Viðar und Aris Eintreffen. Da kann er also noch nicht tot gewesen sein, auch wenn Ari ihn nicht erstochen hat. Was es natürlich nur noch schlimmer macht, dass er nicht die Hundertzwölf angerufen hat. Zudem hat er keine überzeugende Erklärung dafür, wie er in das Haus gekommen ist und wer ihm die Tür geöffnet hat, wenn es nicht Ólafur selber war.«
Árni war immer noch nicht überzeugt. »Aber weshalb? Weshalb hätte Ari Ólafur umbringen sollen? Hat er bei Alpha eine falsche Birne in einen Scheinwerfer geschraubt? Und selbst wenn er Handschuhe anhatte, als er zustach, weswegen hat er sie dann ausgezogen, um zu kotzen und das Fenster im Badezimmer zu öffnen?«
Stefán räusperte sich. »Geir hat Sigurlaug und Viðar keineswegs vollständig auschließen können, auch wenn er sie für unwahrscheinliche Kandidaten hält. Außerdem wissen wir gar nichts darüber, was Bárður und Ragnar in dieser Nacht unternommen haben. Sie behaupten, nach dem Abendessen bei Sigurlaug direkt ins Hotel gegangen zu sein, aber wir haben nichts unternommen, um uns das bestätigen zu lassen. Das wird selbstverständlich nach all dieser Zeit sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich sein, es ist ja nicht so, dass in den Hotels Buch darüber geführt wird, wann die Gäste kommen und gehen, höchstens wenn sie ein-oder auschecken. Wir dürfen aber auch nicht unseren Freund N. N. vergessen, der ist ja bei jeder ordentlichen Ermittlung sozusagen unentbehrlich. Wer weiß, vielleicht trug der ja sogar Handschuhe. Und außerdem ist da auch noch Ási. Stellen wir uns vor, dass der Meister deswegen zu Ólafur ging, weil er mit ihm darüber reden wollte, was auf diesen Aufnahmen von Þórður zu sehen ist. Und stellen wir uns
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