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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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vor, dass der Meister mit dem Ergebnis dieses Gesprächs keineswegs zufrieden war. Ólafur war aller Wahrscheinlichkeit nach betrunken, und ich gehe davon aus, dass er auch bereits mit Ari telefoniert hatte. Wir wissen auch, dass Ólafur nicht gerade gut mit Alkohol umgehen konnte. Das ist meines Erachtens die einzig vernünftige Erklärung für Aris nächtlichen Besuch bei Ólafur. Vielleicht war sein Zustand so, dass sogar der Meister ihn nicht ruhig stellen konnte, ihn überzeugen konnte, so etwas lieber für sich zu behalten. Und was macht der Meister dann?«
    »Er ruft Lalli an«, sagte Árni.
    »Das ist jedenfalls nicht unwahrscheinlicher als vieles andere«, stimmte Stefán zu. »Und es ist vollkommen klar, dass wir uns eingehender mit Ási unterhalten müssen, sobald Þórður uns grünes Licht gibt.«
    »Das wäre natürlich der Gipfel«, sagte Katrín, »wenn Lalli Ási geschickt hat, um Ólafur zum Schweigen zu bringen, und in Fortsetzung dessen Úlfur dabei behilflich ist, den Halsabschneidern Geld aus der Tasche zu ziehen.«
    »Ja, das würde er bestimmt komisch finden, dieses üble Stinktier«, sagte Stefán grinsend.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Árni.
    »Abwarten«, antwortete Stefán. »Abwarten und Tee trinken, bis es wieder Sinn macht, dass wir uns da von Neuem hineinknien, wann immer das sein wird. Bis dahin gibt’s genug anderes zu tun.«

III
August 2006

1
Dienstag
    Árni war einigermaßen zufrieden mit sich selbst, dem Leben und dem Dasein, als er an diesem Morgen trotz Sturm und Regen, die im Kampf gegen das schöne Wetter in diesem Sommer ein weiteres Mal die Oberhand behalten hatten, zu Fuß zur Arbeit ging. Diese Zufriedenheit hatte auch abends um acht noch nicht nachgelassen, als sich die Dunkelheit über die Stadt Kópavogur senkte. Er saß am Fenster eines menschenleeren Büros im sechsten Stock und hatte Blick auf den Tempel der WAHRHEIT .
    Die ersten Tage nach Ástas Rückkehr von Kreta waren besser gewesen, als er je zu hoffen gewagt hatte, und jetzt war sie nach einer Woche bei ihren Eltern in Húsavík wieder bei ihm, frisch und fröhlich wie nie zuvor. Er hatte selten so gut geschlafen wie in den letzten Tagen. Alles war an seinem Platz, auch Ásta. Er hatte nicht die geringste Lust, darüber nachzudenken, ob so eine Denkweise als altmodisch und chauvinistisch einzustufen war, so vergnügt war er. Aber nicht allein Ástas Rückkehr war der Anlass zu dieser optimistischen Stimmung, obwohl sie sicherlich den größten Teil zu seiner ungewohnten Lebensfreude und Zuversicht beigetragen hatte.
    Zum einen war es in den letzten Tagen bei der Arbeit bestens gelaufen, er hatte einen Fall nach dem anderen gelöst. Zwar nur kleine Fälle, einer unbedeutender als der andere, aber die wollten ja schließlich auch gelöst sein.
    Zum anderen ging es Guðni wesentlich besser, er hatte sogar schon damit angefangen, sich draußen an die Wand gedrückt klammheimlich die ein oder andere London Docks anzuzünden; und trotz Ermahnungen, Zurechtweisungen und Verboten von Ärzten wie von Krankenschwestern kaute er zwischendurch unentwegt an seinen Stumpen.
    Und zum dritten stand ein spannender Abend bevor, glaubte Árni, auch wenn sich bislang noch nicht viel ereignet hatte. So spannend, dass er es immer noch nicht leid geworden war, darauf zu warten, dass etwas passierte, obwohl er seit bald sechs Stunden hier auf diesem Stuhl vor dem Fenster hockte.
    Fünftausend Bibeln, hatte Þórður gesagt, fünftausend Bibeln waren seit Februar vergangenen Jahres im Auftrag der WAHRHEIT gedruckt und nach Island geschickt worden, fünfhundert in jeder Sendung. Das waren eine Menge Bibeln für eine Glaubensgemeinschaft, die eintausendachthundert Mitglieder zählte. In den Jahren davor waren es trotz ihres Missionierungseifers in den Malls von Kringla und Smáralind insgesamt nur fünfhundert Bibeln gewesen. Und nun war wieder eine Palette mit Bibeln eingetroffen.
    Den Informationen zufolge, die Þórður von seinen Kollegen in den baltischen Ländern erhalten hatte, waren sie in Vilnius gedruckt worden, in einer alten und angesehenen Druckerei, die seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ununterbrochen in Betrieb gewesen war und sämtliche Revolutionen, Kriege und andere Widrigkeiten bis zum heutigen Tag überstanden hatte. Sie war im Zuge der Umwälzungen im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts wie so vieles andere privatisiert worden, doch die neuen Besitzer waren klug genug gewesen, den

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