Judasbrut
gerade noch rechtzeitig in eine der Kabinen.
»Tut
mir leid«, sagte sie kleinlaut, als sie zu Holzapfel auf den Gang zurückkehrte.
»Geht’s
besser?« Er klopfte ihr sachte auf den Rücken. »Schwanger, hm?«
Sie
biss sich auf die Lippe.
»Maria
hat mir alles erzählt.« Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch seine Worte
blieben unausgesprochen. Er schloss den Mund und bedeutete Nina, mit ihm zu
kommen.
Nina
war froh, dass er es dabei bewenden ließ. Obwohl ihr nicht mehr schlecht war,
fühlte sie sich elend. Jens hatte nur noch das Notwendigste mit ihr geredet. In
der Schule hatte sie sich bis zu den Ferien krankgemeldet und hoffte einfach,
dass sie bald eine Gelegenheit finden würde, mit Jens in Ruhe zu reden – wenn
er denn überhaupt dazu bereit war.
»Wir
sind da!« Holzapfel blieb vor einer Tür stehen. »Ich komme mit Ihnen und Sie
erzählen einfach.« Er wartete nicht ab, bis Nina nickte, sondern klopfte an die
Tür und öffnete sie beinahe gleichzeitig.
»Christoph!
Ich hab hier jemanden für dich! Das hier ist Nina Langenbach, eine Bekannte
meiner Frau, die sich nicht allein hierher getraut hat. Aber sie hat Elfriede
etwas erzählt und ich finde, das solltest du dir unbedingt anhören.«
Der
Mann hinter dem Schreibtisch unterbrach sichtlich widerstrebend seine Arbeit
und nickte Paul freundlich, aber ohne große Begeisterung zu, dabei deutete er
auf die Stühle vor seinem Schreibtisch. Er lehnte sich zurück und legte die
Fingerspitzen seiner Hände aneinander. »Was möchten Sie mir denn erzählen?«
»Ja … «,
begann Nina stockend. »Also … eine Woche nach Ostern war ich
in der Fränkischen Schweiz. Bei Aufseß. Da habe ich einen Mann getroffen, und … der
ist jetzt hier in der Gegend. In Erlangen, weil … da
habe ich ihn nämlich wiedergesehen und ich glaube … «
»Entschuldigung«,
unterbrach der Mann sie freundlich. »Um wen handelt es sich denn?«
Nina
rang ihre Hände und sah Paul an. Der nickte aufmunternd. Sie schob die
Zeichnung, die Isabelle Schad angefertigt hatte, über den Schreibtisch und
fixierte ihre Schuhspitzen. Dann sagte sie leise: »Er heißt Stefan Falk und er
plant etwas Schlimmes.«
Herzogenaurach
Es war ein unscheinbares
Reihenhaus am Stadtrand. Der Mietvertrag lautete auf Gabriele Meyer, mit ›ey‹.
Sie sei aus Berlin und aus beruflichen Gründen mit ihrem Lebensgefährten
hierher gezogen. Nichtraucher. Keine Haustiere. Mietbeginn sei der 1. April
gewesen – kein Aprilscherz, wie der Vermieter bemüht scherzhaft versichert
hatte. Die Miete samt Kaution sei pünktlich bezahlt worden. Es seien anständige
Leute. Ein Bekannter, der Einzige, der manchmal vorbeikam, wie die Nachbarn
erzählten, war immer sehr höflich. Und es sei doch normal, dass jemand, der neu
zugezogen war, sonst keine Besuche empfing. Das bedeutete alles nichts.
Am
frühen Abend saß Maria, ein paar Querstraßen von besagtem Reihenhaus entfernt,
in ihrem roten Opel Corsa und stellte sich zum Zeitvertreib das konservative
Vermieterehepaar bildlich vor. Da es nicht unbedingt zu den gewöhnlichen
Einsätzen gehörte, in einer Kleinstadt wie Herzogenaurach gesuchte Terroristen
dingfest zu machen, hatte sie, ohne allzu neugierig zu erscheinen, auf der
Dienststelle ein paar Einzelheiten in Erfahrung gebracht. Jens hatte ihr die
übrigen Informationen verschafft, denn er würde ebenfalls an dem Einsatz
teilnehmen.
Nina
hatte sich tapfer geschlagen. In ihrer Aussage hatte sie lediglich von einem
geplanten Treffen der Terroristen berichtet. Eichmüller und die Biowaffe hatte
sie auf Perez’ Betreiben hin nicht explizit erwähnt, sondern nur von »einer
Bombe oder so« gesprochen. Immer noch fürchtete er, dass irgend ein
Besserwisser Mist baute und Eichmüller sich in letzter Sekunde aus der Affäre
ziehen könne. Maria hielt das für übertrieben, war jedoch einverstanden, denn
das Ergebnis war dasselbe.
Sie
nestelte am obersten Knopf ihrer Jacke herum. Immer wieder öffnete und schloss
sie ihn, bis er schließlich nur noch an einem einzelnen Faden hing, den sie mit
einem Ruck abriss. Gefühlt zum hundertsten Mal sah sie auf die Uhr. Gleich war
es so weit. Eichmüller musste inzwischen in dem Reihenhaus sein, um den
Schlüssel für den Kleintransporter zu übergeben, in dem sich die gefährliche
Fracht befinden sollte. Perez, der ebenfalls dort war, hatte den
Übergabezeitpunkt gestern von Lorenz und Großmann erfahren. Nicht mehr lange,
dann wäre der Anschlag vereitelt und
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