Judasbrut
beschäftigen. Als sie sehr früh am Sonntagmorgen aufgewacht
war, hatte Georg das Haus bereits verlassen. Nina hatte sich in ihre feuchte
Kleidung gezwängt und war ebenfalls gegangen, aber sie verlief sich erneut.
Nachdem sie schon wieder der Verzweiflung nahe war, hatte sie Motorengeräusche
gehört und kurz darauf eine Straße entdeckt. Ein freundlicher Autofahrer hatte
sie bis Aufseß mitgenommen und den Rest war sie gelaufen – diesmal immer an der Straße entlang. Bei ihrer Rückkehr zum Stellplatz nach
Hochstahl war Jens erleichtert gewesen, denn er hatte sich große Sorgen um sie
gemacht. Nachdem er am Vorabend vergeblich versucht hatte, Nina anzurufen, war
er selbst herumgefahren, um Nina zu suchen. Als er sie nicht gefunden hatte,
war er drauf und dran gewesen, seine Kollegen zu alarmieren. Allerdings wusste
er aus Erfahrung, dass die am Abend nicht mehr unternehmen würden, als er
selbst tun konnte. Also hatte er gewartet.
Jens
hatte ihr Vorhaltungen wegen ihrer Sturheit gemacht, woraufhin sie in Tränen
ausgebrochen war. Stockend und zerknirscht log sie ihm vor, sie habe in einem
Gasthof übernachtet. Sie habe ihn nicht angerufen, weil sie seine Handynummer
nicht auswendig kannte und der Akku leer gewesen sei. Sie hatte ihm jedoch
angesehen, dass er nicht verstand, warum sie kein Taxi geholt oder den Gasthof
in Hochstahl angerufen hatte, damit der Wirt Jens informierte. Zu ihrer
Erleichterung hatte Jens es dabei belassen – doch
Nina spürte den schalen Nachgeschmack der ganzen Episode.
Energisch
riss sie sich zusammen. Da das Wochenende vorbei war, würde sich zwischen Jens
und ihr schon alles wieder einrenken. Das hatte es in den vergangenen zehn
Jahren noch immer getan.
»Essen
ist fertig!«, rief sie, während sie die Nudeln abgoss.
Keine
Antwort aus dem Wohnzimmer, nur der Fernseher lief. Nina ging hinüber, um
nachzusehen, ob Jens sie vielleicht nicht gehört hatte. Tatsächlich saß er
nicht mehr auf dem Sofa.
»Jens?«
Anscheinend
telefonierte er gerade auf dem Balkon. Im Vorbeigehen suchte sie die
Fernbedienung, um den Fernseher auszumachen.
»Zu dem
Brandanschlag auf die Fahrzeuge der Bundespolizei vor einer Woche in Berlin und
der Bombenexplosion am vergangenen Freitag am Berliner U-Bahnhof
Kurfürstendamm, bei dem drei Menschen, darunter ein Polizist, starben, bekannte
sich die radikale linksautonome Splittergruppe ›kämpferisches bündnis‹ … «,
sagte der Nachrichtensprecher gerade.
Die
Fernbedienung in der Hand, drehte Nina sich zum Fernseher. Jens, der sein
Telefonat beendet hatte, kam zurück ins Wohnzimmer.
»In
einem Schreiben kündigten sie an, den Terror auf ganz Deutschland auszuweiten.
Die Polizei ist überall in erhöhter Alarmbereitschaft … «
»Das
war mein Vater. Herr Bruns hat ihm gesagt, das mit der falschen Lieferung
Steine hat sich geklärt. In den nächsten Tagen wird am Obergeschoss weitergearbeitet,
wir sollen uns keine Sorgen über einen Terminverzug machen.«
Nina
antwortete nicht. Am Samstag hatte sie dieselben Fotos in der Tageszeitung
gesehen, die im Biergarten in Sachsendorf auf dem Tisch gelegen hatte: eine
Frau, zwei Männer. Der eine hatte einen ungepflegten Zopf und graue
Bartstoppeln auf den Wangen. Die Brille fehlte.
Fassungslos
starrte sie in die Augen mit dem irritierenden Silberblick, die ihr von dem
Fahndungsfoto auf dem Bildschirm aus zuzublinzeln schienen.
»… sind
Mika Großmann, Stefan Falk und Heidrun Lorenz. Die Mitglieder der Terrorgruppe
sind wahrscheinlich bewaffnet und gelten als gefährlich. Für sachdienliche
Hinweise wenden Sie sich bitte an die nächste Polizeidienststelle.«
Mittwoch, 22. April 2009
Aus: Fränkischer Morgen
›Linksautonome in Deutschland – Die
neue Gefahr?‹
Die neuen Anschlagsdrohungen
der radikalen Splittergruppe des dem Linksterrorismus zugerechneten
»kämpferischen bündnis« (kb) halten alle Sicherheitskräfte in
Alarmbereitschaft.
Seitdem
das kb im Jahr 2001 erstmals in Erscheinung trat, verübte es bis zum
Jahresanfang rund 30 Anschläge,
unter anderem in Berlin und Hamburg, die alle nach demselben Muster abliefen:
Nachts wurden Brandsätze auf Fahrzeuge der Bundespolizei, Gebäude der Justiz
oder andere öffentliche Einrichtungen geworfen. Es wurden wenig oder keine
Spuren hinterlassen, Menschen sollten offenbar nicht in Gefahr gebracht werden.
Das BKA vermutet, dass es sich bei den Mitgliedern des kb um so genannte
»Feierabendterroristen« handelt, die ansonsten eine
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