Judasbrut
dem Fuß auf. Fünf Minuten konnten
unendlich lang sein. Sie hatte ihre Zähne geputzt, das Gesicht eingecremt und
gepudert, die Haare gebürstet und immer noch stand die Anzeige der Digitaluhr
nicht auf 06:35 Uhr. Wahrscheinlich machten die paar Sekunden nichts mehr aus.
Kurz entschlossen stand sie auf, um nach dem Schwangerschaftstest zu greifen,
den sie umgekehrt neben die wuchernde Grünlilie auf die Fensterbank gelegt
hatte. Es hätte sie nervös gemacht, die ganze Zeit darauf zu starren.
Sie
schloss kurz die Augen, bevor sie auf das Ergebnis sah. Ihr Herz machte einen
Sprung. Neben dem blauen Streifen, der anzeigte, dass der Test funktioniert
hatte, war ein zweiter! Sie war schwanger. Endlich! Ihre Mundwinkel verzogen
sich zu einem Lächeln, das breiter und breiter wurde.
»Brauchst
du noch lange?« Jens, der erst vor einigen Minuten von der Nachtschicht
zurückgekommen war, klopfte leicht gegen die Tür.
»Moment!«
Schnell verstaute Nina den Test in einer Packung Damenbinden im Schrank unter
dem Waschbecken. Beim Klang von Jens’ Stimme kam ihre Nervosität zurück. Sie
biss sich auf die Lippen, damit sie ihre Gesichtszüge halbwegs unter Kontrolle
brachte, bevor sie die Tür aufmachte. »Fertig!« Sie stellte sich auf die Zehen,
um ihm einen Kuss auf die Nase zu geben.
Müde
grinsend schlang er die Arme um sie. »Du hast aber gute Laune!«
»Wie
war dein Dienst? Viel los heute Nacht?«
Er
gähnte herzhaft. »Nein. Eher zu wenig. Das macht träge.«
Leise
lachend schmiegte sie sich an ihn. Er legte seinen Kopf auf ihren und kraulte
ihr den Nacken. Einen Moment standen sie einfach da, schließlich schnüffelte er
an ihrem Haar und hinter ihrem Ohr, bis sie kicherte. »Du riechst gut.«
Sie
rümpfte übertrieben die Nase. »Du nicht!«
Er
drückte ihr noch einen Kuss auf die Stirn. »Dann dusche ich wohl lieber. Krieg
ich noch einen Tee, bevor ich schlafen gehe, oder hast du keine Zeit?« Da sie
nicht sofort antwortete, sah er sie an. »Was ist los?«, fragte er
stirnrunzelnd. »Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt?«
Sie
versuchte krampfhaft, ihr Lächeln zu unterdrücken, aber es gelang ihr kaum.
»Nein, ich hab einfach gute Laune. Was für einen Tee möchtest du?«
»Egal.
Früchte.«
Kurz
darauf saßen sie gemeinsam in ihrer kleinen Küche. Nina hatte nicht nur eine
große Kanne Früchtetee gekocht, sondern auch den Tisch gedeckt. Die erste
Euphorie über ihre Schwangerschaft war verschwunden, daher überlegte sie jetzt
unsicher, wie sie es Jens beibringen sollte. Er hatte Kinder sehr gern, doch
bisher hatte er sie immer vertröstet, wenn sie das Thema Familienplanung zur
Sprache gebracht hatte. Erst ging es ihm zu schnell, weil er eine unschöne
Trennung hinter sich hatte und lieber warten wollte. Einige Jahre später war
sein Schwager gestorben. Daher hatten sich Nina und er oft um die beiden Kinder
gekümmert, um Jens’ Schwester zu entlasten. Schließlich fand Jens ihre Wohnung
zu klein, was gerade während der Zeit, in der seine beiden Nichten öfter da
waren, deutlich geworden war. Neuerdings hatte er sich darauf verlegt, dass das
Geld wegen des Hausbaus knapp werden könnte, wenn sie nicht beide arbeiten
gingen. Ninas Berechnungen kamen jedoch zu einem anderen Ergebnis.
Vor ein
paar Monaten hatte sie schließlich die Pille abgesetzt – allerdings ohne mit Jens darüber zu sprechen. Gerade nachdem sie gesehen hatte,
wie er in die Ersatz-Vaterrolle für seine Nichten geschlüpft war, war sie
sicher, dass er sich am Ende freuen würde, wenn – rein
zufällig natürlich – ihre Verhütung versagte. So etwas kam schließlich vor. Und das
mit dem Geld würde sich regeln.
Mit dem
dampfenden Tee in der Hand wirkte Jens nach der Dusche mit sich und der Welt
zufrieden. Er belegte sich sein Brot dick mit Schinken. Nina begnügte sich mit
einer halben Schnitte mit wenig Butter und einem kleinen Klecks Marmelade. In
den letzten Tagen war ihr morgens meist schlecht gewesen. Übergeben musste sie
sich bisher nicht, Appetit hatte sie in der Früh allerdings auch keinen – andererseits wurde das Unwohlsein eher schlimmer als besser, wenn sie gar
nichts aß.
Jens
schnitt ein Stück Käse ab und reichte es ihr. »Appenzeller«, meinte er. »Magst
du doch so gern.«
Das
stimmte zwar, aber allein der Geruch, der zu ihr herüberwehte, drehte ihr jetzt
den Magen um. Sie schüttelte ablehnend den Kopf, nahm ihren Tee und atmete den
süßlichen Duft ein. »Bei mir in der Klasse geht gerade die
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