Judasbrut
überlegt, dass
die Bundeswehr gar nicht so schlecht sei. Auf eine Verpflichtung hatte sie aber
keine Lust – wegen der ständigen Umzüge, sagt sie. Sie hat mir dringend
geraten, ihm ganz schnell einen Tritt zu verpassen. Er sei zauberhaft, solange
er was von einem wolle, aber wenn nicht mehr … Und:
Er könne perfekt lügen, ohne Rot zu werden.«
»Hat
sie noch Kontakt zu ihm?«
»Zuletzt
1995. Er wurde zwar nicht Berufssoldat, aber was er sonst gemacht hat, wüsste
sie nicht. Jedenfalls hat er damals behauptet, oft im Ausland zu sein. Sie
glaubt, er sei eine Weile in Israel und im Nahen Osten gewesen. Dann ist der Kontakt
abgebrochen.«
»Michelle,
du bist echt klasse!«, sagte Maria mir echter Bewunderung.
»Danke.«
Michelle klang verlegen. »Hat jedenfalls Spaß gemacht. Bringt uns das denn
weiter? Abgesehen davon, dass er wohl kaum in Tel Aviv an der Uni
unterrichtet.«
»Auch
wenn er seinen Abschluss nachgeholt haben könnte – es
klingt immer unwahrscheinlicher. Die Eindrücke der Frau sind natürlich sehr
subjektiv, aber ich glaube, wir sollten uns unbedingt weiter mit ihm befassen.
Noch etwas – Leibl war ziemlich seltsam drauf. Als wir bei den Fotos standen,
wurde er plötzlich sentimental und plauderte aus dem Familiennähkästchen. Er
hängt sehr an der Familie, vermutlich, weil er keine andere hat. Ich kann mich
täuschen, aber er wirkte auf mich, als hätte er ein schlechtes Gewissen, als
würde er etwas wissen und es nicht sagen dürfen … oder
wollen.« In diesem Moment ging die Haustür auf und Professor Leibl erschien.
Neben ihm ging Bennett die Treppe hinunter, der mit ausdrucksvollen Gesten
seiner Hände auf ihn einredete. »Leibl verlässt gerade das Haus. Ich schau mich
hier noch ein wenig um.«
»Aber
sei vorsicht…«
Maria
drückte auf den Knopf und beugte sich rasch hinunter zum Beifahrerfußraum.
Falls sie vorbeikamen, konnte sie vortäuschen, ihr sei etwas heruntergefallen.
Doch sie hatte Glück. Als sie vorsichtig den Kopf hob, sah sie die beiden in
dem silbernen Sportwagen davonfahren. Kurz überlegte Maria, ob sie ihnen folgen
sollte. Aber es war besser, bei ihrem ursprünglichen Plan zu bleiben – obwohl
es mitten am Tag und daher denkbar ungeeignet war, sich heimlich um das Haus
herumzuschleichen. Falls Nina sich allerdings wirklich dort befand, mussten sie
vielleicht schnell handeln. Da konnte es nur von Vorteil sein, wenn Maria sich
einen Überblick über das Gelände verschaffte. Bevor sie ausstieg, nahm sie
Papier und Stift zur Hand und machte eine grobe Skizze des Hauses, soweit sie
es von der Straße aus erkennen konnte. Sie schaltete ihr Handy auf lautlos,
bevor sie aus dem Auto stieg. Zielstrebig ging sie über den Kiesweg, bevor sie
jedoch die Treppe zur Haustür erreichte, bog sie nach rechts ab und blieb
hinter einer hohen Zypresse stehen. Links vom Eingang lag die Doppelgarage,
rechts neben dem Haus gab es zwischen dem gepflegten Buschwerk hindurch einen
Weg. Sie sah sich um. Es schien, als sei niemand da, der sie beobachtete, doch
das konnte täuschen. Im Zweifel musste sie sich eben auf ihren Status als
Kriminalkommissarin berufen und behaupten, sie habe Sara Eichmüller gesehen.
Flink
lief sie an der rechten Hausseite entlang. Oberhalb der Kellerschächte stieg
die Villa drei Stockwerke in die Höhe. Im hinteren Teil des riesigen Gartens,
kurz vor dem dahinterliegenden Wald, befand sich eine Laube, die jedoch eher
wie ein Platz für gemütliche Sommerabende als wie eine echte Unterkunftsmöglichkeit
wirkte, daher entschied sich Maria vorläufig gegen eine nähere Kontrolle.
Vorsichtig
schlich sie um den nachträglich errichteten Anbau herum, auf dem sich eine
Dachterrasse befand. Er passte nicht wirklich zu dem Jugendstilhaus und schien
in den sechziger oder siebziger Jahren errichtet zu sein. Im Erdgeschoss
befanden sich zur Gartenseite hin bodentiefe Fenster, die auf eine mit weißem
Marmor ausgelegte Terrasse führten. Gartenmöbel aus Teak standen dort und große
Pflanzentöpfe säumten die Ränder. Maria zögerte kurz und spähte durch die
Fenster ins Innere des Hauses. Niemand war zu sehen. Mit kleinen
Tippelschritten lief sie über die Terrasse, immer darauf bedacht, sich jedes
kleine Detail einzuprägen, das von Bedeutung sein konnte.
Auf der
anderen Seite des Anbaus bemerkte sie einen steil nach unten führenden
Lichtschacht. Sie überlegte gerade, ob sie hinunterklettern sollte, als sich
genau über ihr ein Fenster öffnete. Blitzschnell
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