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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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behielt er in der Hand. Eine Klinge aus Horn, mit Intarsien aus Silber und einem bemerkenswerten Griffschutz.
    Die Flammen umspielten den ausgezehrten Leichnam, loderten durch das Loch in seiner Brust und schlugen höher. Sie reichten bald bis zum Giebel hinauf und quollen auseinander, als böte ihnen der Tote ganz besonderes Brennmaterial.
    Die Farbe des Feuers änderte sich. Es flackerte schneeweiß und magnesiumgrell, wurde abrupt hellrot und dann schwarz.
    Tanguy fühlte, wie sich Unsicherheit in ihm ausbreitete. Er wusste nicht, ob das, was er sah, beim Verbrennen eines Vampirs normal war. Die Hitze ließ ihn zurückweichen.
    Hauptsache, du vergehst, du Scheusal!
    Um das Haus tobte der Sturm mit ungebrochener Heftigkeit, weitere Blitze zuckten in den Sumpf nieder. Das Dach wurde weiter abgedeckt, aber der Sturzregen vermochte das Inferno, das rund um Szomors schmurgelnde, schrumpfende Überreste tobte, nicht zu löschen.
    Tanguy fühlte ein Brennen am rechten Unterarm. Er dachte, ein Funke hätte seinen Ärmel entzündet, und warf einen Blick darauf. Der Stoff war unversehrt.
    Aber das Brennen steigerte sich …
    Das bilde ich mir nicht ein!
    Er raffte den Ärmel zurück. Sein rotes Mal warf Blasen und qualmte, als würde es innerlich erhitzt werden. Die Qualen rasten durch seinen Arm. Er wagte es nicht, den Fleck zu berühren. Stattdessen hielt er den Arm nach vorne gestreckt, in den herabstürzenden Regenguss, damit er gekühlt wurde.
    Es zischte, als die Tropfen darauftrafen. Unvermittelt wölbte es sich hervor und barst. Eine schwarze Stichflamme schoss heraus. Tanguy schrie.
    Der Fluch des Hexers!
    Er bedeckte die Lohe, ohne nachzudenken, mit der anderen Hand, um sie zu ersticken.
    Sie bohrte sich lanzengleich durch Haut und Knochen und schuf ein apfeldickes Loch, brannte weg, was sich ihr entgegenstemmte. Aufbrüllend ließ Tanguy das Mal los.
    Wie soll ich …
    Das Feuer erlosch zwei Herzschläge darauf von selbst. Der rote Fleck hatte der Flamme standgehalten und war nicht verschwunden. Er sah aus wie zuvor.
    Doch es war nicht zu Ende: An seinem Unterarm wurden plötzlich rings um das Mal zarte, dunkle Ranken sichtbar.
    Zuerst glaubte Tanguy, es seien seine Adern, die inwendig verbrannten, oder dass ihm das Blut darin stockte. Aber schon formten sich verschnörkelte Zeichen, die den Fleck umschlossen und ihn einbetteten, als habe er schon immer zu ihnen gehört.
    Was bedeutet das?
    Ein Ausläufer schlängelte sich auf der Haut bis zur Armbeuge und verschwand unter dem Hemdsärmel.
    »Nein!«, brüllte er voller Furcht und drosch mit der verstümmelten Hand auf die Ranken ein. »Geht weg!«
    In Tanguys Nacken kitzelte es. Netzartig breitete sich das Kribbeln über die Kopfhaut aus, dann wurden die feinen Maschen zugezogen und spannten sich um seinen Schädel. Sie schnitten sich durch den Knochen. Die Qualen waren überwältigend und lähmten ihn. Er stürzte auf die Dielenbretter.
    Er konnte das Netz fühlen, wie es seinen Verstand durchteilte und ihn zerstörte, ihn auslöschte und vernichtete.
    Sein Herz schlug langsamer.
    Mein Tod kommt mit seinem Tod
, dachte Tanguy sterbend und blickte durch das Loch im Dach zu den Wolken hinauf, die noch immer Blitze spien. Der Sturm toste und riss das Haus, in dessen Innerem die Flammen angefacht wurden, Stück um Stück auseinander.
    Szomors Fluch hat mich ereilt.
    Der Hexer hatte ihm seine Überlegenheit bewiesen. Tanguy zweifelte nicht an seinem Ende, das allerdings mit einer Hoffnung einherging: Bald durfte er mit Gwenn zusammen sein. Er würde seine Geliebte im Jenseits in die Arme schließen und endlich Ruhe finden.
    Herr, ich habe viel Gutes getan. Ich habe Räuber und furchtbare Menschen gerichtet, soweit ich es konnte, und die einfachen Leute geschont. Gedenke meiner guten Taten und schenke mir im Jenseits ein Leben mit meiner Gwenn.
    Er sah ihr Antlitz über sich in den Wolken, und sie lächelte auf ihn herab. Ein schwacher Schlag – und sein Herz setzte aus.
Spätsommer 1782, Frankreich,
Bretagne, Fougeray
    Albert streifte in den verlöschenden Strahlen der Sonne durch die Ruinen des Schlosses.
    Man hätte diese Raubzüge verhindern müssen.
    Er bedauerte zutiefst, dass die Bewohner viele der kostbaren Steine in den letzten Jahrzehnten verwendet hatten, um daraus eigene Häuser und Ställe zu errichten. Mit den schwieligen Händen fuhr er am Fundament eines Turms entlang.
    Bald erhebt sich ein neues Schloss. Das Schloss des Königs der Bretagne. Frei

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