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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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    Die Unbekannte ließ sich die Berührungen gefallen. Ihre Zunge drang zärtlich in ihren Mund ein, lockte und neckte sie mit kundigen Bewegungen.
    Was geht mit mir vor?
    Sandrine rief sich unter Aufbietung des letzten Rests an klarem Verstand zur Ordnung und machte einen Schritt nach hinten, um sich von der Frau loszureißen. Es fiel ihr alles andere alsleicht. Ihr Herz raste, und in ihrer Mitte zog es schmerzhaft vor Verlangen. »Welchen Zauber wirkst du gegen mich?«, stieß sie verwirrt hervor.
    Die Schwarzhaarige machte nicht den Eindruck, als wäre sie auf den Kuss und die Zärtlichkeit vorbereitet gewesen. »Das … ist kein Zauber gewesen«, stammelte sie und blickte nicht weniger überrascht. »
Was
bist du? Du bist keine normale Upira!«
    Sandrines Verwirrung wich nicht, sondern steigerte sich zu Hilflosigkeit und völliger Überforderung. In den wenigen Minuten war zu viel geschehen, mit dem sie nicht fertig wurde. »Ich bin keine Upira!«, schrie sie los. »Verstehst du nicht? Ich mache Käse, guten Käse, aus der Milch meiner Ziegen! Und ich kann höchstens ein paar Flüche …« Ihr versagte die Stimme, die Anspannung staute sich in ihr auf und fand keinen Weg zu entweichen. Sie zeigte auf Claudes Leichnam. »Es …« Sandrine wollte weinen, doch auch das gelang ihr nicht. Mehr als ein Brennen in den Augen kam nicht zustande. Keine Tränen. Keine Erlösung.
    Ich muss fort von hier!
    Zitternd machte Sandrine noch einen Schritt zurück.
    »Bleib«, sagte die Schwarzhaarige mild und streckte die Hand nach ihr aus. »Bleib, bitte.« Sandrine konnte nicht fassen, dass sie deren zarte Finger ergriff.
    Doch ein Zauber!
    »Ich bin eine Tenjac. Eine Vampirin, die den Menschen Lustund Alpträume bringt, ganz wie ich es möchte. Ich vergnüge mich mit denen, die mir gefallen, und kann diejenigen, die ich hasse, in Angst und Schrecken versetzen. Träume besitzen große Macht.« Sie neigte den Kopf nach vorne. Dieses Mal küsste sie Sandrine und bescherte ihr einen wohligen Schauder. »Aber
das
ist kein Traum! Ich kann es mir selbst nicht erklären, was eben geschehen ist. Du hast Besitz von mir ergriffen, von der Sekunde an, in der wir uns geküsst haben.« Sie schluckte. »
Du
hast einen Zauber über
mich
geworfen. Nicht umgekehrt.«
    Sandrine stand wie angewurzelt und fühlte noch immer die Lippen der Unbekannten auf den eigenen. Sie wollte es erneut erleben, immer und immer wieder! Es ergab keinen Sinn, darüber nachzudenken, was geschehen war. Denn es
war
geschehen. Viel wichtiger erschien die Frage nach dem Kommenden.
    Was wird nun?
    Sandrine atmete durch, drückte die Hand der Tenjac. Oftmals hatte sie sich gewundert, was sie war und warum sie Blut trinken musste. Insgeheim hatte sie innerlich stets geleugnet, eine Vampirin zu sein. Sie hatte sich in die Lüge geflüchtet, eine normale Frau mit besonderen Kräften zu sein, die nach besonderer Nahrung verlangten. Oder Opfer einer Art Krankheit zu sein. In dieser Nacht war sie der Wahrheit begegnet, die sich nicht länger verbergen und ignorieren ließ.
    Allmählich beruhigte sich Sandrine.
    Schicksal. Es ist ein Zeichen, dem ich folgen soll.
    Das Lächeln, das ihr geschenkt wurde, rührte Sandrines Seele und weckte Gefühle der Glückseligkeit, die sie überwältigten. Sie wollte sich nicht dagegen wehren, sondern schlang die Arme um die Vampirin und drückte sie an sich. Ihre Umarmung wurde sofort erwidert.
    Es fühlt sich … unglaublich an! Ich würde sie am liebsten nie wieder gehen lassen.
    Lange standen sie so, hielten einander und wunderten sich über das, was in ihnen vorging.
    »Kannst du mir mehr über das erzählen, zu dem ich geworden bin?«, bat Sandrine unsicher und roch an den schwarzen Haaren.
    »Das werde ich, auch wenn ich im Moment nicht weiß, zu welcher Art du gehörst.« Die Tenjac ließ sie los und streichelte ihre Wange. »Mein Name«, sagte sie bewegt, »ist für dich Anjanka.
Nur
für dich und niemand sonst.« Sie gab ihr einen weiteren Kuss zur Besiegelung ihrer Worte. »Du bist etwas Einzigartiges. Ich kann es spüren.«
    Zauber oder nicht, es ist mir einerlei. Dafür ist es viel zu schön!
    Sandrine strahlte und ging los, zog Anjanka hinter sich her. »Gehen wir zu meiner Hütte. Da ist es sicherer.«
    Sie verließen Claude und gingen die Treppen hinab, durch die karge Stube.
    Anjanka nahm eine Öllampe vom Haken neben der Tür, schleuderte sie zu Boden, damit sich die Flüssigkeit verteilte.
    »Was tust du da?«, wunderte sich

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