Judassohn
Sandrine.
Anjanka entzündete das Öl, die Flammen leckten über die Dielen und die Möbel. Der Brand breitete sich rasch aus. »Ich sorge dafür, dass es nicht mehr als zwei Vampire gibt. Wir brauchen keinen Mann, der uns als Upir in die Quere kommt.«
Sie liefen hinaus, während die Lohen hinter den Fenstern zuckten und tobten. Man würde Claudes verkohlte Leiche in der eingestürzten Ruine finden und seinen jähen Unfalltod bemitleiden sowie Gebete für seine Seele sprechen.
Mehr nicht.
***
DIE GESCHICHTE
DES FLUCHS
Mai 1787, Saint-Alban, Südfrankreich
»Eine Tenjac.« Sandrine ging in der Stube umher und zündete Kerzen an. Draußen tobte ein schweres Gewitter, der Wind pfiff durch die Ritzen des Häuschens und brachte die Flamme zum Zucken. Regen prasselte laut hörbar auf das Dach und gegen die Fensterläden. »Wie bist du dazu geworden?«
Anjanka saß am Tisch, rührte mit dem Finger im Wein und leckte den Tropfen ab. »Ich bin seit vier Jahren Vampirin. Ich lebte in einem kleinen Dorf, in der Nähe von Avignon. Fahrendes Volk kam zu uns, bot Kesselflickerdienste an, und ich verjagte sie auf Anweisung meines Vaters. Die Alte, die ich von den Stufen stieß, beschimpfte mich in einer unbekannten Sprache. Bald bekam ich Fieber und verfiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem ich nicht mehr erwacht bin.« Sie stand auf und half, die übrigen Lichter anzustecken.
Sandrine betrachtete Anjanka bei ihrer Tätigkeit und bewunderte jede ihrer Bewegungen, die anmutig und verführerisch zugleich waren.
»Ich wurde zur Tenjac. Später habe ich erfahren, dass die Alte mich mit einem verfluchten Blutstropfen, den sie auf mein Grab gab, zu einer Vampirin gemacht hatte. Ich hatte mich bald nach meiner Beerdigung aus meinem Grab befreit, und da stand die Alte. Sie hatte auf mich gewartet und mir gesagt, dass ich ihre Schülerin werden müsse.« Anjanka seufzte. »In meiner Angst und Verunsicherung habe ich ihr lange geglaubt. Viel zu lange.Sie war es, die mich unterrichtet hat, bis ich nach zwei Jahren vor ihr geflohen bin. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist und was sie wirklich im Schilde geführt hatte, aber ich wollte nicht mehr bleiben. Ich konnte nicht mehr!« Die Vampirin schüttelte sich angewidert.
Ich muss sie unentwegt küssen!
Schnell trat Sandrine von hinten an sie heran und strich ihre schwarzen Locken zur Seite, die Lippen trafen auf die warme Haut des Nackens. Der Geruch weckte ihre Lust. »Du Arme«, wisperte sie in ihr Ohr und zog sie mit sich auf den Stuhl. Ihre Finger rutschten unter den Rock, streiften die Innenseite der Schenkel hinauf.
Anjanka umfasste ihr Gesicht. »Wir können es nicht schon wieder tun. Du sollst etwas
lernen!«
Sie versuchte, mahnend und vorwurfsvoll zu klingen.
»Ich lerne von dir. Unentwegt!«, stieß sie überschwenglich hervor. »Aber du hast recht.« Sie umarmte die Vampirin und zog ihr einen eigenen Stuhl mit dem Fuß heran, auf den sie sich setzte. »Ich höre dir zu, meine Liebe.«
Auch wenn ich lieber andere Dinge mit dir tun möchte.
»Meinen Opfern kann ich im Traum Befehle erteilen, die sie nach ihrem Erwachen ausführen«, berichtete sie und nahm Sandrines Hand, streichelte sie. »Ich kann mich in einen Falter oder eine Spinne wandeln. Und wenn ich will, sieht mich nur mein Opfer. Sonst niemand.«
»Ah, deswegen habe ich dich in Claudes Kammer nicht bemerkt!« Sandrine sah den Toten vor sich, im Bett, und die ausgebrannte Ruine, die sie drei Tage nach dem Feuer aufgesucht hatten. Jemand hatte in den Überresten nach dem Hirten gesucht, vermutlich hatte man seine verbrannte Leiche begraben. Sie hatten eine Blume vor der Schwelle für ihn niedergelegt. »Hast du eine Schwäche? Außer Sonnenlicht wie ich auch?«
Anjanka zögerte.
»Verzeih! Nein, sag es mir nicht!«, bat Sandrine entschuldigend. »Ich dachte mir nichts dabei. Sag es mir nicht, dann …«
»Kirchenglocken. Wenn ich sie höre, muss ich kotzen und weglaufen«, gab sie zurück und schaute sie an. Ehrlich und aufrichtig. »Ich vertraue dir und weihe dich ein, damit du mich beschützen kannst, so wie ich dich beschützen werde. Sobald wir herausgefunden haben, was dich schwächt.«
Sandrine drückte gerührt ihre Finger.
»Man kann mich vertreiben, und zwar mit stark riechenden Gewürzen und dem Geruch grüner zerriebener Nussschalen«, fuhr Anjanka ernst fort. »Die menschlichen Kinder von Vampiren, die man Dhampire nennt, können meine wahre Natur mit einem Blick erkennen. Und
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