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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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einweihen.
    Sia atmete durch.
Wie abstrus das ist. Wir sind die Erfüllungsgehilfen der Höllenfürsten und dienen ihren Zwecken gegen unseren Willen – obwohl wir den Grund unseres Daseins durchschauen. Ich will das nicht mehr.
    Schon einmal hatte sie sich aus den Winkelzügen anderer befreit: in ihrer alten Heimat, im achtzehnten Jahrhundert. Die Kinder des Judas hatten sich ebenso als Herren über die Menschen gesehen und verfügten über sie nach Gutdünken. Experimente, Bevormundung, Macht über ganze Regionen und viele Dörfer.
    Damals war sie einfach gegangen, hatte sich aus dem Spiel entfernt und den Hass der Judastöchter und -söhne auf sich gezogen.
    Dieses Mal bedeutete das Sanctum den Ausstieg und die Rettung der Seele vor der Hölle.
    Auch … meiner?
Sia geriet zugegebenermaßen ins Schwanken.
    Die Aussicht, dass sie für eine unvorstellbare Ewigkeit in die Hände eines Dämons fiel, der sie Qualen und Folter unterzog, wie es ihm beliebte, verursachte Angst. Es war die gleiche Angst, welche die Mitglieder der Cognatio, die Versammlung der Kinder des Judas, dazu gebracht hatte, nach einem Mittel für ewiges Leben zu suchen. Auch ein Schutz für die Seele.
    Ihr kurzes Schwanken endete.
Ich habe das Leiden verdient, wenn es so weit ist. Ich habe viel Böses getan, den Tod gebracht, Familien zerstört.
    Sie sah zu, wie ein Boot ein strahlend weißes Segel hisste und an Fahrt gewann. Vor dem Bug spritzte das Wasser auf, Tröpfchen glitzerten.
    Wenn es die Hölle gibt, haben sie bestimmt auch einen Gott versteckt, irgendwo jenseits von dem, was ich sehen kann. Und ich sollte darauf hoffen, dass er so barmherzig ist, wie die Bibel behauptet.
    Sia erhob sich und ging ans Fenster, öffnete es und ließ frische Luft herein, die den Geruch des Flusses zu ihr trug: frisch, kühl, lebendig.
    Sie überlegte, wem sie dafür danken müsste, dass Elena in relativer Sicherheit war. Harm Byrnes Butler.
Egal, wer diesen Mann geschickt hat: danke!
    Sie unterdrückte den Wunsch, Wilson anzurufen, um mit ihrer Nichte zu sprechen. Es würde nur dazu führen, dass Elena mit ihrer Mutter reden wollte – aber Emma war nach wie vor in einem Versteck der Nachtkelten.
    Sia fand, dass das Leben in den letzten Monaten kompliziert genug gewesen war. Nach dem irischen Intermezzo musste sie sich mit ihren Lieben zusammensetzen und eine Taktik für die Zukunft entwerfen. Ein Umzug wurde immer wahrscheinlicher, so wie sie es schon einmal vorgehabt hatten und hätten tun sollen.
    Umzug, Namenswechsel, am besten in ein anderes Land. Aber vorher,
sie schloss die Lider und atmete erneut tief ein,
bringe ich sie dazu, das Sanctum zu nehmen. Ob sie wollen oder nicht. Nein, sie dürfen dem Fluch nicht anheimfallen.
Sia öffnete die Augen und sah auf das Wasser.
Ich möchte, dass Elena keine Angst davor haben muss und es keine Barriere für sie bildet.
    Sie spielte mit dem Gedanken, Wilson in das Unterfangen einzuspannen, sofern er sich bewährt hatte.
In der Zeit nach dem allem hier.
    Sie wandte sich halb zur Seite und schaute auf das Telefon.
Sollte ich vielleicht doch …
Die Sache war für Sia entschieden.
    * * *

9. Februar, Irland,
Belfast, 13.31 Uhr
    Justines Kehlkopf wurde zerquetscht, Hals und Kopf gegen die Stütze gedrückt. Sie hustete, aber jedes bisschen Luft, das sie verlor, fehlte ihr, denn es gelangte keine neue in ihre Lunge. Das Regenerieren klappte nicht. Die warmen, unterarmdicken Trosse schnürten sie unerbittlich ein.
    Ich ersticke!
Justine schlug die Finger in den geschuppten Leib, der sich um sie gelegt hatte, fuhr die Krallen aus und versuchte, mit
     der Wandlung in die Halbbestienform die lebendige Fessel zu sprengen.
    Es zischte wütend neben ihrem Ohr, und gleich darauf bohrten sich lange Zähne in ihre rechte Schädelhälfte. Die Qualen steigerten sich, das Knacken der sich verformenden Knochen mischte sich unter deren Brechen.
    Justine wollte sich hin- und herwerfen, doch die Anakonda hatte mittlerweile sie und die Lehne vollständig umschlungen.
Das Miststück versucht, mich aufzufressen!
Sie hatte die Halbform angenommen, war teils zur Bestie geworden, mit rötlichem Fell und einer langen Schnauze mit vielen scharfen Zähnen – die sie aber nicht zum Einsatz bringen konnte. Ihre Krallen durchschlugen die grünbräunlichen Hornschuppen, rissen sie auf und verletzten das weiche Fleisch.
Du wirst mich nicht fressen! Du nicht!
    Boída fauchte und verstärkte ihren Biss. Der Atem der Schlangenwandlerin war

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