Judaswiege: Thriller
auch an die Interessen von Truthleaks denken. Wenn es einen Verräter in ihren Reihen gab, dann mussten sie ihn identifizieren. Quellenschutz über alles. Und früher oder später würden sie Adam auch ohne seine Hilfe finden, er war ja schließlich schwerlich zu übersehen.
»Okay, aber Sie fangen an mit den Antworten.«
Klara nickte. Während Pia ihnen ein weiteres Glas Champagner einschenkte, formulierte Vito seine erste Frage. Er trug sie langsam, fast ängstlich vor: »Sind Sie Journalistin?«
Die Brünette lachte: »Ich merke schon, Sie sind das Spiel nicht gewohnt. Was machen Sie, wenn ich jetzt einfach ›Nein‹ sage? Ich hätte Ihre Frage wahrheitsgemäß beantwortet, und Sie wüssten immer noch nicht, wer wir sind. Aber ich mache bei der ersten Frage eine Ausnahme und gebe Ihnen die Antwort auf die weitaus klügere Frage, wer uns hergeschickt hat: das FBI, Vito.«
Vittorio blieb der Mund offen stehen. FBI? In diesem Aufzug? Das konnte er kaum glauben, aber sie ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken.
»Meine Frage lautet, Vito: Wo finden wir Adam Spillane?«
»Ich weiß es nicht. Ehrlich. Ich habe ihn das letzte Mal vor etwa zwei Stunden gesehen. Es gibt ein Büro im ersten Stock, aber meistens mischt er sich unter die Gäste.«
Die FBI-Agentin tauschte einen Blick mit der Blondine, die nickte. Danach beugte sie sich vor und flüsterte: »Vittorio, was ich Ihnen jetzt sage, dürfen Sie niemals veröffentlichen, zumindest noch nicht. Können wir auf Sie zählen?«
Vittorio dachte darüber nach. Er war Gründungsmitglied von Truthleaks; es war ihr Credo, ihr Mantra, nichts unter den Teppich zu kehren. Alles, wirklich alles öffentlich zu machen war für die globale Informationsgesellschaft der beste Garant für Demokratie. Und ausgerechnet er sollte einer FBI-Agentin zusagen, etwas geheim zu halten? Jetzt beugte sich auch Pia zu ihm vor und raunte ihm verschwörerisch zu: »Vertrauen Sie uns, Vito. Vertrauen Sie mir. Es ist wichtig, und es geht hier nicht um die kurzfristige Pressefreiheit, sondern um Menschenleben.«
Mit staubtrockener Kehle nickte Vittorio.
»Die Gopher-Tapes«, flüsterte Klara, »sie zeigen nicht nur Folter, wie Sie glauben, Vito. Sie zeigen Morde. Alle diese Frauen sind tot. Und Adam ist der Einzige, der mehr über die Quelle weiß. Es ist ein Serienmörder, Vito. Sie müssen uns helfen, ihn zu stoppen. Und jetzt holen Sie diesen Adam her.«
Kreidebleich erhob sich Vittorio aus dem Korbsessel. Das änderte alles. Die Filme zeigten nicht nur echte Qualen, sondern ein reales Ringen mit dem Tod. Mord? Mein Gott. Er musste Adam finden.
—
Keine halbe Stunde später standen sie in Adams Büro, das über dem großen Saal lag. Durch eine verspiegelte Glasscheibe hatte man einen spektakulären Blick auf die Tanzfläche und den Garten, auf dem riesigen schwarzen Schreibtisch stand ein moderner Computer.
Ganz im Gegensatz zu dem vorsichtigen und geheimniskrämerischen Vito hatte sich Adam Spillane von Anfang an sichtlich schockiert und danach ohne alle Vorbehalte kooperativ gezeigt. Wäre Pia ihm des Nachts in einer dunklen Gasse begegnet, hätte sie sich vor dem Hünen mit den Drachen- und sonstwelchen Tattoos auf dem massigen Körper wahrscheinlich gefürchtet oder zumindest ein mulmiges Gefühl im Magen gehabt. Vollkommen zu Unrecht, denn Adam hatte sich als äußerst höflicher, zurückhaltender Mann entpuppt. Da sieht man mal wieder, wie der erste Eindruck täuschen kann, schalt sich Pia für ihre engstirnigen Vorurteile.
Jetzt standen sie in einem Halbkreis um seinen Computer. Adam war selbst auf dem Schreibtischstuhl sitzend noch fast so groß wie Klara mit ihren hohen Absätzen, lächelte Pia. Nachdem Klara Adam erklärt hatte, dass sie unbedingt mehr über die Hintergründe der Gopher-Tapes herausfinden mussten, rief Adam eine schwarz-rot gehaltene Webseite auf, die fast ausschließlich aus Text bestand, und erklärte: »Hier, das ist die Website, auf der die Filme immer als Erstes kursierten. Allerdings glaube ich nicht, dass Sie damit groß weiterkommen. Es ist ein in unseren Kreisen sehr bekanntes Online-Forum, so eine Art ›Lost and Found‹ für seelische Dispositionen aller Art. Klicken Sie mal auf die Rubrik ›Suche‹.«
Klara, die vor dem Rechner saß, rief die entsprechende Seite auf.
»Ist das Ihr Ernst, Adam?«, fragte Klara, als sie die ersten Einträge gelesen hatten.
»Na ja, wie ich schon sagte: seelische Dispositionen aller Art. Sie dürfen ›aller
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