Judith
«
Gavin streckte den Arm aus, damit das Mädchen ihn waschen konnte. Das Vorderteil ihres groben Wollkleides war naß geworden, und der Stoff klebte an ihren vollen Brüsten. Er lächelte und hielt den Blick der Magd fest. Verlangen nach diesem Frauenkörper stieg in ihm auf.
Mißmutig wandte er sich zu Raine um. »Aber ich will sie ja gar nicht heiraten. Sie kann kaum so naiv sein, daß sie glaubt, ich würde sie nicht nur ihres Besitzes wegen heiraten. «
»Das darfst du ihr niemals sagen. Du mußt sie hofieren und… «
Gavin erhob sich aus dem Wasser und blieb stehen, während das Mädchen auf einen Schemel stieg, um warmes Wasser über ihn auszugießen und die Seife abzuspülen.
»Sie wird mir angehören«, erklärte Gavin gleichmütig. »Sie wird tun, was ich sage. Ich habe genug hochgeborene Damen kennengelemt. Ich weiß, wie sie sind. Sie sitzen in ihren Kemenaten, nähen und sticken und plappern unaufhörlich. Dabei essen sie Honigfrüchte und werden fett und unansehnlich. Sie sind faul und träge und dumm und noch dazu verwöhnt, weil sie immer alles bekommen haben. Ich werde ihr Nadeln und Seide zum Sticken geben, und dann wird sie zufrieden sein. «
Raine saß reglos da und dachte an die Frauen, die er auf seinen Reisen durchs Land kennengelemt hatte. Die meisten waren so, wie Gavin es eben beschrieben hatte. Doch da waren auch Damen gewesen, die klug und temperamentvoll waren, die ihren Männern mehr gaben als andere Frauen.
»Und was ist, wenn sie bei der Verwaltung des Besitzes mitreden will? «
Gavin verließ die Wanne und nahm das weiche Baumwolltuch, das das Mädchen ihm gab. »Das werde ich nicht zulassen. Nicht n|er bei mir. Sie wird ihre Pflichten bekommen. Erfüllt sie sie nicht, wird sie es bereuen. «
4. Kapitel
Sonnenlicht fiel in breiter Bahn durch die offenen Fenster ins Zimmer. Es war ein herrlicher Frühlingstag, und die Luft war von Düften erfüllt.
Es war ein schöner Raum, der fast die Hälfte des ganzen vierten Stockwerks einnahm. Die nach Süden gehenden Fenster machten ihn warm und hell. Doch die Einrichtung war karg zu nennen. Robert Revedoune gab kein Geld für Dinge aus, die er frivol nannte. Dazu gehörten auch Teppiche und Wandbehänge.
An diesem Morgen wirkte der Raum jedoch nicht so nüchtern wie sonst. Über jedem Stuhl lag ein Kleid oder Stoffe in leuchtenden Farben. Die Gewänder waren allesamt neu, ausnahmslos prächtig und aus bestem Material. Sie gehörten zu Judiths Aussteuer.
Da gab es Seide aus Italien, Samt aus dem Orient, Kaschmir aus Venedig, Baumwollstoffe aus Tripolis. Juwelen schimmerten auf dem Stoff, auf Schuhen, Gürteln und Bordüren. Rubine, Perlen, Smaragde. Zum Teil waren die Gewänder mit Pelz besetzt. Teure Pelze wie Hermelin und Luchs.
Judith saß allein inmitten der Pracht. Sie saß so reglos, daß jemand, der ins Zimmer kam, sie nicht bemerkt hätte, wenn nicht ihre Person selbst alles überstrahlt hätte.
Ihre zierlichen Füße steckten in grünen Lederschuhen, die mit Pelz gefüttert waren. Das Oberteil ihres Kleides schmiegte sich eng an ihren Oberkörper. Ihre Hände, die aus den langen, weiten Ärmeln hervorsahen, waren wie aus Elfenbein.
Die Taille war so schmal, das ein Mann sie mit seinen Händen umschließen konnte. Der tiefe Halsausschnitt zeigte einen Teil der schon fraulich runden Brüste. Der Rock war wie eine weit fallende Glocke, und er schwang bei jedem ihrer Schritte anmutig hin und her.
Der Stoff war mit Goldfäden durchwirkt und glänzte im Sonnenlicht. Um Judiths Taille schlang sich ein Gürtel aus, feinstem goldenem Leder, mit Smaragden besetzt. Ein Mantel aus dunkelgrünem Taft lag um ihre Schultern. Er war ganz mit Hermelin besetzt.
Jede andere Frau wäre beim Anblick eines so herrlichen Gewandes in Begeisterung ausgebrochen. Judith betrachtete sich jedoch mit ernster Miene.
Sie war von ungewöhnlicher Schönheit. Doch das war ihr nicht bewußt. Sie hatte einen Körper, der jeden Mann den Atem anhalten ließ.
Ihr langes kastanienbraunes Haar fiel in weichen Locken bis über ihre Taille hinunter. Stolz trug sie ihren Kopf, das hübsche Kinn vorgereckt. Auch jetzt, wo sie an die schrecklichen Dinge dachte, die vor ihr lagen, wirkten ihre Lippen voll und rund wie Rosenknospen. Aber ihre Augen zogen jeden Blick zuerst an. Sie waren tiefbraun mit einem goldenen Schimmer.
Judith drehte den Kopf und sah in den herrlichen Tag hinaus. Zu jeder anderen Zeit wäre sie glücklich über das schöne Wetter gewesen.
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